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Die meisten Online-Shops sind nicht barrierefrei

Der Countdown läuft: Am 28. Juni tritt das “Barrierefreiheitsstärkungsgesetz” in Kraft. Dann sollte der Onlinehandel barrierefrei sein. In der Praxis sieht das hierzulande noch ganz anders aus.

Onlinehandel boomt – Menschen mit Behinderungen stehen dabei aber noch immer vor großen Hürden. Laut einer am Dienstag in Berlin veröffentlichten Erhebung ermöglichen nur 20 der 65 meistbesuchten Shopping-Portalen in Deutschland ein barrierefreies Navigieren. Dabei kauften gerade Menschen mit Behinderungen häufiger online ein als Menschen ohne Einschränkungen, betonte Christina Marx, Sprecherin der Aktion Mensch. Die Sozialorganisation hat die Untersuchung zum dritten Mal durchgeführt, unter anderem gemeinsam mit Google und der Stiftung Pfennigparade.

Barrierefreiheit ist laut Marx für Websitebetreiber “ein strategischer Vorteil, weil man so mehr Kunden erreichen kann”. Hierzulande seien allein 7,8 Millionen Menschen von anerkannten Schwerbehinderungen betroffen. Für diese 10 Prozent der Bürger sei im Onlinehandel Barrierefreiheit unerlässlich. Weitere 30 Prozent der Menschen seien von Sehschwäche und motorischen Einschränkungen betroffen.

Marx forderte die Verantwortlichen deshalb auf, die Barrierefreiheit bei der Gestaltung einer Website von Anfang an mitzudenken und – mit Blick auf das neue Gesetz – zeitnah zu handeln. Denn es sei auch im Interesse der Portale, dies zu ändern – “von einem barrierefreien, komfortablen Zugang zu Webseiten profitieren letztlich alle”.

Für die in Berlin vorgestellte Erhebung wurde zunächst die Bedienbarkeit per Tastatur überprüft. Dies war nur in 20 von 65 Onlineshops möglich, erklärte Detlef Girke, Berater für barrierefreie IT. Denn die übliche Navigation per Maus sei bei Blindheit oder Sehstörungen nicht möglich. Acht Testpersonen mit unterschiedlichen körperlichen oder Sinneseinschränkungen haben zudem weitere Kriterien wie die Änderung der Schriftgröße und Kontraste getestet. Auch das Vorhandensein eines sogenannten Screenreaders, der Texte in gesprochener Sprache wiedergibt, wurde geprüft. Viele Portale fielen durch fehlende Kontraste, einen unlogischen Seitenaufbau und störende Banner durch.

Für Isabelle Joswig, die Inklusionsbeauftragte von Google, biete die Künstliche Intelligenz zahlreiche Möglichkeiten, “die Barrierefreiheit im Web sprunghaft voranzubringen”. Als Beispiele nannte sie die Echtzeit-Untertitelung von Videos oder die Umwandlung komplexer Texte in vereinfachte Sprache. “KI macht digitale Inhalte für Menschen mit unterschiedlichsten Behinderungen erheblich zugänglicher und benutzerfreundlicher.”

Am 28. Juni 2025 tritt die EU-Richtlinie zur digitalen Barrierefreiheit in Kraft. Sie verpflichtet Online-Shops mit mehr als zehn Beschäftigten, ihre digitalen Produkte barrierefrei anzubieten. Unternehmen, die dies unterlassen, riskieren Bußgelder.