Genf/Incheon – Dringender Appell für mehr Klimaschutz: Der Weltklimarat hat verstärkte Anstrengungen angemahnt, um den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Nur so könnten enorme Schäden für Mensch und Umwelt abgewendet werden, heißt es in einem Sonderbericht, den das UN-Gremium im südkoreanischen Incheon verabschiedete. Umwelt- und Entwicklungsorganisationen bezeichneten den Report als wichtigen Weckruf. Die Bundesregierung und die EU gelobten mehr Anstrengungen im Kampf gegen den Klimawandel.
Drohender Verlust ganzer Ökosysteme
Der deutsche Klimaforscher Hans-Otto Pörtner, einer der führenden Experten des Gremiums, betonte, jeder noch so kleine Anstieg der Temperaturen habe Auswirkungen. Es drohe der Verlust ganzer Ökosysteme. „Schnelle, weitreichende und beispiellose Änderungen“ beim Energieverbrauch, in der Industrie und im Transport seien nötig, betonte das Gremium. Mehr als 90 Wissenschaftler und Fachkräfte erstellten den Bericht.
Damit die Erderwärmung 1,5 Grad Celsius nicht übersteigt, müsse die Menschheit den Ausstoß der klimaschädlichen Treibhausgase drastisch reduzieren. Der „Netto-Ausstoß“ von Kohlendioxid (CO2) müsse bis 2050 auf null sinken. Jede Emission von CO2 müsse dann ausgeglichen werden, etwa durch Aufforstung. Die Gesetze der Chemie und der Physik machten eine Limitierung der Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius möglich, hieß es.
Der Entzug von CO2 aus der Atmosphäre spiele in dem Sonderbericht eine entscheidende Rolle, erklärte Sabine Fuss, eine der Leitautorinnen des Berichtes. Die am meisten diskutierte Technik sei dabei die Nutzung von Bioenergie bei gleichzeitiger Abscheidung und Speicherung von CO2 (BECCS). Dabei werde Biomasse verbrannt und frei werdendes CO2 in Tiefenlagern gespeichert, erläuterte die Wissenschaftlerin vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change. Sie räumte ein, dass derartige Ansätze kontrovers diskutiert würden.
In dem Bericht werden die Konsequenzen aufgelistet, falls die Menschheit die Erderwärmung nicht stark begrenzen kann. Bis zum Jahr 2100 würde ein Temperaturanstieg um zwei Grad Celsius einen zehn Zentimeter höheren Anstieg des Meeresspiegels zur Folge haben als bei einem Temperaturanstieg um 1,5 Grad Celsius. Im ersten Fall wäre ein eisfreier arktischer Ozean im Sommer mindestens einmal pro Jahrzehnt die Folge, im zweiten Fall sei mit diesem Phänomen nur einmal pro Jahrhundert zu rechnen.
Der Generalsekretär der Weltwetterorganisation (WMO), Petteri Taalas, betonte, dass die Temperaturen bereits um ein Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter gestiegen seien. Sie würden in den nächsten 50 Jahren weiter steigen. „Der negative Trend dauert an“, sagte er.
Die Bundesregierung versprach mehr Einsatz im Kampf gegen die Erderwärmung. „Wir dürfen beim Klimaschutz keine Zeit mehr verlieren“, erklärte Umweltministerin Svenja Schulze (SPD). „Wir müssen den Abschied von Kohle, Öl und Gas hinbekommen.“ Deutschland hat sich zum Ziel gesetzt, seine CO2-Emissionen bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Die Bundesregierung hat jedoch bereits eingeräumt, dass sie diese Marke deutlich verfehlen wird.
Die EU-Kommission forderte, dass die Vertragspartner des Pariser UN-Klimaabkommens von 2015 mit dem vereinbarten Ziel, den Temperaturanstieg auf unter zwei und wenn möglich 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen, ihr Engagement verstärken müssten. „Die EU wird an diesen Herausforderungen arbeiten und erwartet, dass andere folgen“, hieß es.