Blitze sind Erscheinungen in der Atmosphäre, genauer: elektrische Entladungen zwischen Wolken oder zwischen Wolken und Erde – ein Naturereignis, dem die Menschen bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts nahezu hilflos gegenüberstanden. Blitzeinschläge können erhebliche Zerstörungen bewirken – es sei denn, man lenkt sie ab und leitet sie in die Erde. Höhere Gebäude sind heute alle mit Blitzschutzanlagen ausgerüstet. Die erste in Deutschland gab es 1769 an der Hamburger Jacobikirche.
Erste „Franklin-Stange“ Europas: in Paris
Erfunden wurde der Blitzableiter von dem amerikanischen Verleger, Staatsmann und Naturwissenschaftler Benjamin Franklin (1706-1790). Schon ab 1740 unternahm er Versuche mit elektrischen Ladungen und behauptete, auch Blitze am Himmel seien „elektrisches Feuer“. Franklin schlug einen Versuch vor, um Funken aus einer Wolke zu holen: Man müsste einen Drachen bei Gewitter an einem dünnen metallischen Draht steigen lassen.
Vermutlich hat der Versuch nie stattgefunden, sonst wäre Franklin das erste Todesopfer seiner eigenen Erfindung geworden. Doch die Idee, metallische Stangen zum Abfangen von Blitzen zu nutzen, zündete auch in Europa. 1752 wurde die erste „Franklin-Stange“ auf einem Gebäude bei Paris installiert. Anfang der 1760er Jahre folgte England mit einem Leuchtturm.
In Hamburg lebte damals der Arzt und Naturforscher Johann Albert Heinrich Reimarus (1729-1814). Der war auf längeren Studienreisen in England gewesen und hatte dort Blitzableiter kennengelernt. Nach Hamburg zurückgekehrt, trat er der 1765 gegründeten Patriotischen Gesellschaft bei. Die hatte sich der „Beförderung der Künste und nützlichen Gewerbe in der Epoche der Aufklärung“ verschrieben. Am 17. Februar 1768 hielt Reimarus dort einen Vortrag über Blitzableiter, der den fortschrittlichen Herrschaften offenbar sofort einleuchtete.
Besondere Unterstützung kam von Mathias Andreas Mettlerkamp (1738-1822), dem Innungsmeister der Hamburger Bleidecker. Als Versuchsobjekt fiel ihm sofort der Turm von St. Jacobi ein, an dem damals ohnehin ständig gearbeitet wurde. Gemeinsam begann man daher, die Kirchenvorsteher von der technischen Neuerung zu überzeugen.
Jacobi-Hauptpastor Christian Samuel Ulber (1714-1776) war anfangs wenig begeistert: „Alle Blitze und Schläge hat der Herr abgemessen“, argumentierte er. „Kein einziger fällt anders, als ihn die ewige Vorsicht bestimmt.“ Auch andere Theologen und strenggläubige Christen ahnten Unheil und wetterten gegen die Verunstaltung ehrwürdiger Gemäuer durch eiserne Leitungen. Würden diese „Ketzerstangen“ nicht in den Herrschaftsbereich Gottes eingreifen, der Herr im Himmel und damit auch über Blitz und Donner ist?
Doch die aufklärerischen Herren hatten beste Gegenargumente: Mit hohen Deichen schützen sich die Menschen gegen Sturmfluten, und gegen Feuer halten sie Wasser und allerlei Gerätschaften parat – warum sollte man den „Donnerstrahl“ gewähren lassen? Überdies hatten die Hamburger verheerende Erfahrungen mit Blitzen gemacht: Kaum 20 Jahre zuvor, am 10. März 1750, hatte ein Blitz den Turm von St. Michaelis getroffen. Der fing Feuer, stürzte ins Kirchenschiff und zerstörte St. Michaelis bis auf die Grundmauern.