Der schleswig-holsteinische Landespastor und Diakonie-Vorstand Heiko Naß hat nach Veröffentlichung der ForuM-Missbrauchstudie eine konsequente Aufklärung aller Fälle gefordert. An erster Stelle müsse stehen, „das Leid der Betroffenen ohne Wenn und Aber zu benennen und anzuerkennen“, sagte Naß dem Evangelischen Pressedienst (epd) am Freitag.
„Jeder Fall macht uns, macht mich sehr betroffen, denn dahinter steht jedes Mal erlittenes Unrecht und unermessliches Leid“, erklärte Naß. Wichtig sei, „eine Haltung zu zeigen, dass das geschilderte Leid und die Erfahrungen der Betroffenen tatsächlich geglaubt und anerkannt werden“.
Aus Berichten von Betroffenen, die sich an der Studie beteiligten, ließen sich wesentliche Erkenntnisse ziehen, „vor allem zu den Strukturen und Faktoren, die sexualisierte Gewalt in Einrichtungen ermöglicht haben“, sagte Naß. „Mit Hilfe dieser Erkenntnisse können wir für die Zukunft lernen und die Prävention stärken“.
Die Studie liefere zugleich wichtige Hinweise dafür, wie die Diakonie Schleswig-Holstein die Aufklärung und Anerkennung erlittenen Leids besser vorantreiben und gestalten sollte. „Hier geht es vor allem um einheitliche Kriterien und mehr Transparenz für die Betroffenen. Die Studie hat ja dargelegt, dass die Menschen, die sexualisierte Gewalt erfahren haben, oft von einer Stelle zur anderen geschickt wurden und mit ihrem Begehren nicht durchdrangen bzw. ihnen nicht geglaubt wurde.“ Naß kündigte an: „Wir werden weiter die Praxis und Kultur der Arbeit in unserem Verband, in unseren Einrichtungen und Diensten prüfen – und wo es nötig ist verändern. Wichtig sei, dass Betroffene “verlässliche Zugänge„ erhielten, “um das Unrecht, das sie erlitten haben, schildern zu können, und dass ihr Fall dann nach klaren, einheitlichen Maßstäben bearbeitet wird”.
Für Betroffene im Norden gebe es zum Thema Anerkennung und Anerkennungsleistungen mit der Anerkennungskommission der evangelischen Nordkirche eine zentrale Anlaufstelle. Sie handele unabhängig von der Kirchenleitung. „Darüber hinaus sind auch wir als Diakonisches Werk weiter offen für Gespräche.“ Die Diakonie Schleswig-Holstein berate Betroffene in rechtlicher Hinsicht, vermittle sie an psychologische und seelsorgerische Beratungsangebote und helfe ihnen bei der Suche nach Informationen zu ihrem Aufenthalt in diakonischen Einrichtungen.
Über mögliche Anerkennungsleistungen werde das „Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt der EKD“ beraten. „Hier sollte es eine bundesweit einheitliche Lösung geben“, erklärte Naß.
Ein von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) beauftragtes Forscherteam hatte am Donnerstag in Hannover eine Studie vorgestellt, in der für den Zeitraum von 1946 bis 2020 von bundesweit mindestens 2.225 Betroffenen und 1.259 mutmaßlichen Tätern die Rede ist. Die Zahlen seien allerdings in einer „sehr selektiven Stichprobe“ ermittelt worden und bildeten keineswegs das Ausmaß sexualisierter Gewalt in evangelischer Kirche und Diakonie ab, hieß es.