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Diakonie: Prostitution nicht kriminalisieren

Ein Sexkaufverbot würde den Alltag Prostituierter unsicherer machen. Prostitution würde vom Hell- ins Dunkelfeld verlagert, wo Frauen weniger Schutz hätten und sich leichter mit Krankheiten infizieren könnten, sagt Korinna Heimann, Leiterin des Fachbereichs Migration und Frauensozialarbeit des Diakonischen Werks Hamburg, im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Diakonie halte stattdessen den von Deutschland eingeschlagenen Weg für richtig, der Bordellbetriebe reguliere, Prostitution nicht kriminalisiere, sondern die Situation Prostituierter durch Stärkung ihres Selbstbestimmungsrechts verbessere.

Das EU-Parlament hatte sich kürzlich für ein Sexkaufverbot ausgesprochen. Die Abgeordneten stimmten mehrheitlich für das sogenannte nordische Modell, das den Kauf sexueller Dienstleistungen verbietet und Strafen für Freier vorsieht. Für Deutschland hatte Dorothee Bär (CSU), stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, in einem Zeitungsinterview das nordische Modell gefordert. Sie hatte das mit dem „Wohle der Frauen“ begründet.

Heimann verweist auf Studien aus Schweden und Irland, denen zufolge Prostitution durch ein Sexkaufverbot weder verschwinde noch zurückgehe. Stattdessen, sagt sie, zwänge ein Verbot die Prostituierten in unsichere, für Beratung und schützende Angebote unzugängliche Lebenssituationen. „Dadurch steigt das Risiko der Sexarbeitenden, Opfer von physischer und sexueller Gewalt zu werden“, sagt Heimann.

Die Probleme liegen Heimanns Ansicht nach nicht auf gesetzgeberischer Ebene: „Menschenhandel, Zwangsprostitution und Zuhälterei sind bereits heute verboten“, sagt sie. Die Schwierigkeit liege in der Durchsetzung der Gesetze. „Täter:innen müssen überführt werden und die Tat muss nachweisbar sein.“ Hierfür bedürfe es deutlich mehr und besser geschulten Personals bei Polizei und Justiz.

Ein weiteres Problem sei, dass viele betroffene Mädchen und Frauen nicht aussagen wollten, „meist aus Scham und Angst“. Ohne ihre Aussage sei es aber schwierig, Täter zu überführen. „Daran würde auch ein Sexkaufverbot nichts ändern.“ Hilfreich wäre Heimanns Meinung nach ein Ausbau niedrigschwelliger Beratungseinrichtungen und Ausstiegsprogramme.

Heimann rät dazu, die laufende Evaluation des Prostituiertenschutzgesetzes abzuwarten, bevor über neue Gesetze oder die Überarbeitung bestehenden Gesetze diskutiert werde. „Die Ergebnisse sollen 2025 vorliegen.“

Wichtig sei zudem, jede Lebensrealität individuell zu betrachten. „Es gibt nicht die eine Sexarbeiterin“, sagt Heimann. „Deshalb kann unserer Meinung nach ein allumfassendes Modell nicht funktionieren.“