Der Deutsche Buchpreis 2023 geht an den österreichischen Schriftsteller Tonio Schachinger für seinen Roman “Echtzeitalter”. Das gab die Jury am Montagabend in Frankfurt am Main bekannt. Die Auszeichnung für den besten deutschsprachigen Roman des Jahres ist mit 25.000 Euro dotiert. Überschattet wurde die Preisverleihung vom Krieg in Nahost, den Schachinger “einfach unerträglich” nannte.
Die Jury erklärte, auf den ersten Blick sei Schachingers “Echtzeitalter” ein Schulroman, auf den zweiten Blick aber ein Gesellschaftsroman, der das Aufwachsen seines Helden Till an einer Wiener Eliteeinrichtung beschreibe. Dort würden die künftigen Leistungsträger mit reaktionärem Drill und bildungsbürgerlichen Idealen aufs Leben vorbereitet. Aus dieser repressiven Umgebung flüchte sich Till in die Welt des Gaming. “Mit feinsinniger Ironie spiegelt Schachinger die politischen und sozialen Verhältnisse der Gegenwart: Aus gebildeten Zöglingen spricht die rohe Gewalt. Die Welt der Computerspiele bietet einen Ort der Fantasie und Freiheit”, so die Jury. Schachinger schreibe auf erzählerisch herausragende und zeitgemäße Weise. Das Buch ist im Rowohlt-Verlag erschienen.
Schachinger (31) sagte in seiner Dankesrede, eigentlich sei es sinnlos, wenn ein “lächerlicher kleiner Autor aus Österreich” etwas zum Krieg in Nahost sage. “Gleichzeitig ist es auch schwer, nichts zu sagen.” Es sei “einfach unerträglich zu sehen, was passiert auf dieser Welt”, sagte der neue Buchpreisträger. “Es macht mich wirklich fertig, die Nachrichten zu sehen.” Er hoffe auf ein Ende des Blutvergießens. In Europa und überall auf der Welt müssten sich Juden sicher fühlen können. Dass dies nicht so sei, sei beschämend.
Die Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Karin Schmidt-Friderichs, rief in ihrer Rede dazu auf, das Publizieren von Büchern nicht zu unterdrücken, denn dies sei ein Kennzeichen autoritärer Regimen. Mit Blick auf das Werk des diesjährigen Friedenspreisträgers Salman Rushdie sagte sie: “Mir macht es Sorgen, dass namhafte Literatinnen und Literaten heute davon ausgehen, dass ein Buch wie ‘Die satanischen Verse’ heute weder geschrieben würde noch einen Verlag finden würde, der den Mut hätte, es zu veröffentlichen.”
Es mache ihr auch Sorgen, “wenn amerikanische Gouverneure, Schulleitungen und Bibliotheken Bücher verbannen, in denen es um queere Beziehungen, Identitätsfindung oder Rassismus geht”. Die Repräsentantin der deutschen Buchbranche sagte: “90 Jahre, nachdem in Deutschland Bücher brannten, möchte ich in aller Deutlichkeit die Freiheit des Wortes und des Publizierens als Grundlage der Demokratie hervorheben.”
Frankfurts Kulturdezernentin Ina Hartwig (SPD) sagte, es verstöre sie, “dass neuerdings Autorinnen und Autoren aufgrund ihrer Biografie das Recht abgesprochen wird, über etwas zu schreiben, das sie nicht persönlich erlebt haben”. Wenn das der Maßstab sein solle, “dann können wir die Literaturgeschichte einmotten, dann wäre das der Tod von Fantasie und Poesie”.
Die weiteren fünf Finalisten des Buchpreises waren: Terezia Mora mit dem Roman “Muna oder Die Hälfte des Lebens”, Necati Öziri mit “Vatermal”, Anne Rabe mit “Die Möglichkeit von Glück”, Sylvie Schenk mit “Maman” und Ulrike Sterblich mit “Drifter”. Sie erhalten jeweils 2.500 Euro.
Der Deutsche Buchpreis wird im Rahmen der Buchmesse seit 2005 vergeben. 2022 wurde Kim de l’Horizon für den Roman “Blutbuch” ausgezeichnet. 2021 ging der Deutsche Buchpreis an Antje Ravik Strubel für ihren Roman “Blaue Frau”.