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Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung wird 75

Bei ihrer Gründung war es das Ziel, die von den Nazis bewirkten sprachlichen Verheerungen zu durchleuchten. Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung wird 75. Auch heute im Blick: die Lage der deutschen Sprache.

Für den Literaturbetrieb war es eine der wichtigsten Nachrichten des Jahres: Der Autor Oswald Egger erhält den mit 50.000 Euro dotierten Georg-Büchner-Preis 2024. Doch wer die renommierte Auszeichnung verleiht, ist weniger bekannt: Es ist die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung mit Sitz in Darmstadt. In diesem Jahr wird sie 75 Jahre alt.

Die Akademie verleiht nicht nur insgesamt fünf Literaturpreise. Sie hat sich auch mit der Rechtschreibreform befasst und – schon 2019 im Positionspapier “Drei Fragen zu gendergerechter Sprache” – mit geschlechtergerechterem Sprechen und Schreiben.

In unregelmäßigen Abständen gibt die Akademie zudem einen “Bericht zur Lage der deutschen Sprache” heraus, gemeinsam mit der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften. Leitthemen der Analysen waren bisher beispielsweise “Reichtum und Armut der deutschen Sprache” oder “Vielfalt und Einheit der deutschen Sprache”.

“Der vierte Bericht ist jetzt in Arbeit und wird aller Voraussicht nach 2025 vorliegen”, sagte der Germanist Andreas Gardt, Vorsitzender der Sprachkommission der Akademie, auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). “Es geht darin um ‘Deutsch in Europa’, genauer: um seine Verbreitung außerhalb Deutschlands.”

Also nicht nur in Österreich und der Schweiz, sondern auch in Liechtenstein, Vorarlberg, Luxemburg und Südtirol, wo Deutsch jeweils als Nationalsprache oder Amtssprache – neben anderen Sprachen – verwendet wird. In Ostbelgien und Süddänemark sowie in den französischen Regionen Elsass und Lothringen ist Deutsch als Regionalsprache anerkannt.

Vor 75 Jahren wollten Schriftsteller nach der Nazi-Diktatur dem unzensierten Wort wieder zur Geltung verhelfen. Ein “Ort des freien Gesprächs”, eine unabhängige Diskurs-Institution wurde gebraucht. Am 28. August 1949 – bewusst am 200. Geburtstag Goethes – wurde die Gründung der Akademie bei einem Festakt in der Frankfurter Paulskirche verkündet.

Heute heißt es in der Satzung, zu den besonderen Aufgaben der Akademie gehöre es, “die Entwicklung der deutschen Gegenwartssprache im öffentlichen, privaten und medialen Kontext kritisch zu begleiten und Orientierungen zum Sprachgebrauch zu geben”.

Über die Debattenkultur ist man besorgt. Der seit November 2023 als Akademie-Präsident amtierende Schriftsteller Ingo Schulze sagte im Gespräch mit NDR Kultur: “Es kostet mich Überwindung, wenn ich etwas sage, wo ich weiß, dass es nicht die Mehrheitsmeinung ist. Andererseits sollte man in unserem Land nicht von Mut sprechen müssen, wenn man etwas sagt.”

Die Akademie organisiert die Veranstaltungsreihe “Frankfurter Debatte über die Sprache”. Im November 2023 hieß das Thema: “Verschwörungstheorien – und wie sie sprachlich glaubhaft gemacht werden.” Um den Einfluss von Künstlicher Intelligenz auf Sprache und Literatur soll es im November 2024 gehen.

Die Akademie hat nach eigenen Angaben aktuell 194 Mitglieder. Zu ordentlichen Mitgliedern können Persönlichkeiten gewählt werden, “die der deutschen Sprache und der deutschen Literatur durch ihr Werk und ihr Wirken gedient haben”.

Die Einrichtung hat aktuell ein jährliches Gesamtbudget von gut 1,4 Millionen Euro. Der Betrag setzt sich zusammen aus öffentlichen Zuwendungen – darunter 50 Prozent vom Bund sowie 50 Prozent von der Ländergemeinschaft und dem Land Hessen – und von der Akademie eingeworbenen Drittmitteln, die knapp ein Viertel des Gesamtbudgets ausmachen. Die Stadt Darmstadt beteiligt sich vor allem durch die Bereitstellung der Räumlichkeiten.

Das 75-jährige Bestehen wird größer gefeiert – allerdings nicht am 28. August, sondern mit einem Festakt am 1. November während der Herbsttagung der Akademie in Darmstadt. Es soll zusammen mit dem Ensemble Modern eine “selbstkritische literarische-musikalische Revue” geben.