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Der Rabbi-Diplomat

Josel von Rosheim hatte zur Zeit Luthers eine einzigartige Stellung inne: Er vertrat die Interessen der deutschen Juden vor dem Kaiser – und das sehr erfolgreich. Ausstellung in Hagen-Haspe

Er muss eine überzeugende Persönlichkeit gewesen sein, dieser Josel von Rosheim. Denn ihm gelang, was nur ganz wenigen gelingt: Er konnte Menschen, die von fanatischem Hass erfüllt waren, mit Argumenten zum Umdenken bringen.
So geschehen im Jahr 1514 im elsässischen Städtchen Mittelbergheim. Wie so oft in dieser Zeit, wurde die jüdische Gemeinde im Ort der Hostienschändung angeklagt. Fakten spielten in solchen Prozessen kaum eine Rolle; Geständnisse wurden durch Folter erzwungen. Trotzdem gelang es dem 44-jährigen Rabbi und Geldverleiher Josel, die Vorwürfe zu entkräften: Er legt aus der Tora und dem Talmud dar, dass es im Judentum keinerlei religiöses Interesse für solcherlei Handlungen gäbe. Das tat er offenbar so überzeugend, dass die Kläger aufgaben. Die Juden durften in Mittelbergheim wohnen bleiben.
Selbst wenn diese Begebenheit unter Historikern umstritten ist – es könnte sich bei dem Streit auch um ein Münzvergehen gehandelt haben –, zeigt sie doch, welchen Einfluss man Josel von Rosheim zumaß. Er galt als „der gemeinen Judischheit Befehlshaber in Teutschland“. Seine Stimme wurde sowohl in den Ratsversammlungen der Städte als auch beim Kaiser gehört. Mehrfach gelang es ihm, die Ausweisung jüdischer Gemeinden aus Städten oder Fürstentümern zu verhindern. Kaiser Karl V. rang er einen Schutzbrief für alle Juden des Reichs ab. Selbst ein Haufen aufständischer Bauern ließ sich nach einer längeren Disputation von ihm davon abhalten, seine Heimatstadt Rosheim zu stürmen.
Pfarrer Jürgen Schäfer aus der Kirchengemeinde Hagen-Haspe, der sich mit dem Schicksal des jüdischen Diplomaten intensiv beschäftigt hat, erklärt seinen Erfolg auch mit der Konkurrenzsituation zwischen Kaiser, Fürsten und freien Städten im 16. Jahrhundert. „Die jüdische Bevölkerung war direkt dem Kaiser unterstellt, sie waren damit keine Stadtbürger, sondern Kammerknechte des Reiches“, so Schäfer. Die Kaiser hatten den Juden Privilegien gewährt, zu wohnen und Geschäfte zu betreiben. Diese Privilegien waren zeitlich bemessen und mussten über eine Kaisersteuer bezahlt werden.
„In der Reformationszeit ergaben sich daraus Konflikte mit den Städten, da man dort aus oft nichtigen wirtschaftlichen Gründen die Juden als Nichtbürger ausweisen wollte“, erklärt Schäfer. Josel vertrat in diesen Konflikten die vom Kaiser eingeräumten Rechte vor den Reichsgerichten.
Andererseits waren Juden in vielen Orten als Kreditgeber notwendig. Diese Karte spielte auch Josel aus: Mit einer Selbstverpflichtung der Geldverleiher versuchte er Wucherzinsen und Hehlerei einzudämmen. Die Absicht dahinter: das Ansehen der Juden zu stärken.
Schäfer hat eine Ausstellung ausfindig gemacht, die das außergewöhnliche Schicksal des Josel von Rosheim beleuchet. Darin wird deutlich, dass ein Protagonist der damaligen Zeit Josel eiskalt abblitzen ließ: Martin Luther. An ihn wandte sich der jüdische Diplomat im Jahr 1537, um seine Fürsprache beim Kurfürsten Johann von Sachsen zu erwirken. Luther aber hatte kein Ohr für rechtliche oder wirtschaftliche Argumente. Für ihn stand fest: Unterstützung gibt es nur, wenn sich die Juden zum Evangelium bekennen.
„Luther hielt die Juden für verstockt und sprach ihnen einen eigenen Glauben ab“, erklärt Schäfer. „Außerdem sah er in ihnen Anhänger des Kaisers, seines politischen Gegners.“ Damit lag der Reformator richtig: Es war der Kaiser, der die Rechte der Juden schützte. Außerdem sah sich die jüdische Gemeinschaft dem Vorwurf ausgesetzt, sie würden die Reformation unterstützen – schließlich berief Luther sich auf die hebräische Bibel. Davon mussten sie sich abgrenzen und rückten so zwangsläufig weiter ins katholische Lager.
Luther versank gegen Ende seines Lebens immer tiefer in einen maßlosen Judenhass. In Josel von Rosheim dagegen sieht Jürgen Schäfer einen Politiker, der weit über seine regionalen Grenzen hinausdachte und sich auf universale Menschenrechte berief. Seine Funktion eines Anwalts der Juden auf Reichsebene ging jedoch mit seinem Tod im Jahr 1554 verloren.

Ausstellung „Josel von Rosheim. Zwischen dem Einzigartigen und Universellen.“ 6. Februar bis 18. März, Altes Stadtbad Haspe, Berliner Straße 115, Hagen. Öffnungszeiten: 10 bis 16 Uhr. Eintritt frei. Führungen für Gruppen: Telefon (0 23 31) 4 17 73. Eröffnung unter dem Motto „Hätten die beiden doch miteinander gesprochen!“ am 7. Februar, 19 Uhr.