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Der Garten als Lehrmeister

Pflanzenpflege hat viel mit dem Glauben und dem Leben zu tun. Der Glaube an Gott braucht ebenso Pflege wie ein Garten. Um Pflanzen heranwachsen zu sehen, sind aber auch Geduld, Hoffnung und Vertrauen gefragt

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Gärtnern ist in. Wie sonst ließe sich die bunte Palette der Gartenzeitschriften und neuen Gartenbücher, die Erfolgsgeschichte der Offenen Gärten oder der hartnäckige Traum vom Eigenheim mit Garten erklären? Selbst Schrebergärten sind wieder angesagt, und junge Leute haben das Gärtnern zu einem hippen Großstadttrend gemacht. Die Umsatzzahlen der Gartenmärkte steigen ständig. Ob Topfgärtner oder Landschaftsarchitekt – die Freude am Gestalten, Pflegen und Ernten ist unübersehbar. Und wer keine Gelegenheit dazu hat, schaut über den Gartenzaun.

Den Glauben pflegen wie einen Garten

Für Dichter und Maler ist die Natur von jeher ein Lieblingsthema gewesen. Für Theologen auch? Die Zeit der erbaulichen Gartenpredigten wie im 19. Jahrhundert ist zwar vorbei, und die Pfarrgärten sind als Vorzeige­gärten nur noch teilweise geeignet. Aber wenn die ehemalige Hamburger Bischöfin Maria Jepsen ausführlich über Religion und Garten referiert und der hannoversche Bischof Ralf Meister kürzlich in einer Predigt dazu ermuntert, den Glauben zu pflegen wie einen Garten, wenn die christliche Pflanzensymbolik des Mittelalters wieder in den Blick kommt, immer mehr Bibelgärten entstehen und es auf jeder Bundesgartenschau einen Kirchenpavillon gibt, wenn erstaunlich viele prominente Protestanten 2015 nach ihrem Hobby gefragt die Gartenarbeit nennen – dann wird deutlich, wie eng Kirche und Garten verbunden sind.
Das fängt schon bei Adam und Eva im Garten Eden an, wo sie Gott begegnen, wo sich Himmel und Erde berühren. Es zieht sich durch das Alte Testament, wo das Lob der Schöpfung gesungen und der Garten zum Synonym für friedliche Zeiten wird, wo Gottvertrauen und Wohltun mit einem bewässerten Garten verglichen werden und Liebende durch die Blume sprechen. Jesus redet häufig von Pflanzen, um die Sache mit Gott sinnfällig zu machen. Das Unkraut unter dem Weizen etwa, das Senfkorn, der Baum mit seinen guten und schlechten Früchten, der viererlei Acker, die Lilie auf dem Felde, Feigenbaum und Weinstock werden zum Gleichnis für das Reich Gottes.
„Ein Garten ist der ideale Ort, sich um seine Seele zu kümmern.“ (Cosimo de Medici) Das betrifft nicht nur die meditative Ruhe im Liegestuhl, sondern die Erkenntnisse, die einem Gärtner zuwachsen im Laufe der Zeit, und natürlich auch einer Gärtnerin. Man lernt Geduld. Bis die Pflanze zum Blühen kommt, dauert es seine Zeit. Bis der Baum Früchte trägt erst recht. Gute Pflege kann das nur wenig beeinflussen. Und es bedarf der unverdrossenen Hoffnung, dass im kommenden Jahr manches schöner blüht, besser fruchtet und von Schädlingen verschont bleibt. Demut lernt man, weil nie alles so wird wie geplant. Das Wetter hat man nicht im Griff und das Unkraut meist auch nicht. Fleiß ist gefordert, denn ohne Schweiß kein Preis. Selbst wenn die Gartenarbeit weniger aus reiner Freude, sondern eher aus Einsicht in die Notwendigkeit geschieht, bringt der Erfolg einen Erkenntnisgewinn: Ausdauer wird belohnt. Und Umsicht auch. Die Dahlien, die im Frühjahr nicht gesteckt wurden, blühen jetzt nicht. Man muss Vorsorge treffen für trockene Zeiten und das Vertrauen haben, dass Saat und Ernte nicht aufhören.

Ausdauer und Umsicht werden belohnt

Der Garten ist ein Lehrmeister auch für das Leben vor dem Gartenzaun. Geduld, Hoffnung, Demut, Fleiß, Ausdauer, Umsicht und Vertrauen sind Eigenschaften, die in jeder Lebenslage weiterhelfen. Ob sie dort genauso wichtig genommen werden, ist nicht von vornherein gesagt, aber gut wär’s schon. Auch in Glaubensdingen. Den Glauben pflegen wie einen Garten, ist ein schönes Motto. Denn mit der Taufe und einem Weihnachtsgottesdienst ist es kaum getan. Da sind immer wieder christliche Impulse nötig, der Austausch mit anderen Brüdern und Schwestern, die Rückbesinnung auf Geschichten der Bibel.
Es braucht das geduldige Warten, dass der Stein im Wasser Kreise zieht, die Hoffnung und das Vertrauen darauf, dass Gott aus Stückwerk ein Ganzes macht, die demütige Erkenntnis, dass wir unser Leben nicht im Griff haben und den Willen, das Nötige mit Umsicht in Angriff zu nehmen. Der Garten kann predigen.