Zum Fall der Gemeinde in Grafing
Der Fall Peter H. gilt als einer der prominentesten Missbrauchsfälle der katholischen Kirche in Deutschland. Seit 2010 machte er weltweit Schlagzeilen. Der Geistliche verging sich an Minderjährigen an mindestens vier Orten in Nordrhein-Westfalen und Oberbayern. Bisher haben sich rund 30 Betroffene gemeldet; die Dunkelziffer wird auf ein Vielfaches geschätzt.
Im Missbrauchsgutachten für die Erzdiözese München und Freising von 2022 füllt sein Fall einen Sonderband. Dem emeritierten Papst Benedikt XVI. warfen die Gutachter vor, als Münchner Erzbischof Joseph Ratzinger (1977-1982) dem weiteren Einsatz des Pfarrers in der Seelsorge zugestimmt zu haben, obwohl er von früheren Missbrauchstaten gewusst habe. Der im Dezember 2022 verstorbene Benedikt XVI. hat dies stets bestritten. Aktuell verhandelt das Landgericht Traunstein eine Schmerzensgeldklage eines Opfers von H.
Als der Priester 1980 von Essen nach München versetzt wurde, waren kirchenintern Missbrauchsvorwürfe bereits bekannt. In München sollte er sich einer Therapie unterziehen. Auf eine Anzeige und ein eigenes Strafverfahren verzichtete die Kirche.
Von 1982 bis 1985 war H. als Kaplan in der Grafinger Pfarrei Sankt Ägidius tätig, unter anderem in der Jugendarbeit und als Religionslehrer. Weil er an der Schule elf Jungen zwischen 13 und 16 Jahren missbraucht hatte, verurteilte ihn das Amtsgericht Ebersberg 1986 nach einem Geständnis zu einer Bewährungsstrafe. Ob er sich auch in der Pfarrei an Kindern verging, wurde nie geklärt. Der Gerichtsgutachter und H.s Therapeut waren sich einig, dass der Priester nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfe.
Dennoch wurde er abermals mit Gemeindearbeit beauftragt, von 1987 bis 2008 in Garching an der Alz, danach war er bis 2010 Kurseelsorger in Bad Tölz. Bei vielen Kirchenmitgliedern kam H. sehr gut an: Er galt als begeisternder Prediger und scharte eine Fangemeinde um sich.
Nach neuerlichen Vorwürfen zog ihn der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck am 11. März 2010 aus der Seelsorge ab. 2020 kehrte H. ins Bistum Essen zurück. Inzwischen ist er aus dem Klerikerstand entlassen.