Jeder Mensch sieht bei Mario von Bucovich sinnlich, begehrenswert und vor allem charakteristisch aus. Das gewisse Etwas verstand der Fotograf herauszuschälen. „Bucovich hatte sie alle vor der Linse“, sagt Kuratorin Manuela Huselmann, die am Mittwoch in der Kunsthalle Mannheim die erste Retrospektive zu dem weitgehend in Vergessenheit geratenen Lifestyle-Fotografen vorstellte. Zahlreiche Berühmtheiten ließen sich gerne von diesem weltgewandten Baron fotografieren, darunter Marlene Dietrich und der US-Präsident Franklin D. Roosevelt.
Die Kunsthalle zeigt gut 200 Aufnahmen aus den 1920er bis 1940er Jahren. Angestoßen wurde das Projekt durch Eckhart Köhn, emeritierter Professor für Fotografie aus Frankfurt am Main.
Die Fähigkeit zur sinnlichen Inszenierung gipfelt in der Aktfotografie des Künstlers. Die fein gezeichneten, femininen Hände auf einem Foto wirken vornehm und zerbrechlich – vielleicht gehören sie zu dem Akt auf der gegenüberliegenden Wand. Er zeigt eine Frau von schlanker Eleganz mit Alabaster-Teint, Perlenkette und einem Seidentuch, das wie ein Turban um die Hüften geschlungen ist.
Auch bekannte Orte erscheinen attraktiv, der Berliner Dom sieht aus wie ein schwimmender Elefant und der Pariser Arc de Triomphe wie eine Ameise am Ende der Allee. In seinen Bildbänden – etwa Manhattan Magic, Paris oder Berlin – versammelt er diese urbanen Impressionen eines künstlerischen Flaneurs. Das Berlin-Buch erschien mit einem Vorwort von Alfred Döblin und wurde zu einem der meistdiskutierten Berlin-Bände des 20. Jahrhunderts. Selbst das technoide BASF-Werk wird vor seiner Kamera zum visuellen Ereignis.
Einen weiteren Schwerpunkt seines Schaffens bildete die Werbefotografie für den Tourismus: Land und Leute in Katalonien, später die weiten Sandstrände Mexikos. In der abschließenden Diashow der Ausstellung entführen seine Bilder von paradiesischen Küsten und romantischen Buchten die Besucher in den Urlaub. Bucovich wird der Bewegung des „Neuen Sehens“ zugerechnet, die insbesondere vom Bauhaus und der russischen Avantgarde geprägt war. Bereits 1929 wurde er im Rahmen der Ausstellung Photographie der Gegenwart im Folkwang Museum Essen dieser Stilrichtung zugeordnet.
Geboren 1884 in Pola bei Triest, widersetzte er sich laut Eckart Köhn, Berater der Ausstellung, dem Wunsch seiner Eltern nach einer militärischen Laufbahn und studierte stattdessen Technik und Mathematik in Zürich und Nancy. In Mittweida (Sachsen) schloss er sein Studium als Elektroingenieur ab. Weil sich seine Eltern gegen die Heirat mit der jüdischen Marie Gisot stellten, brach er mit seiner Familie und emigrierte 1909 mit seiner Frau nach New York.
1922 ließ er sich in Berlin nieder, übernahm dort 1925 das renommierte Fotoatelier von Karl Schenker und begann dort seine Laufbahn als Fotograf. Er starb 1947 nach einem Autounfall in Mexiko. (1519/25.06.2025)