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Das Wesen der Dinge in Farbe und Form

Vor 100 Jahren starb der Wegbereiter der expressionistischen Malerei in Deutschland Franz Marc als Soldat nahe Verdun

bpk | Bayerische Staatsgemäldes

Die blutige Schlacht tobte knapp zwei Wochen. Am 4. März 1916 starb der Maler, Zeichner und Grafiker Franz Marc auf einem Kundschaftsritt nahe Verdun als Soldat im Ersten Weltkrieg. Er gilt als Wegbereiter der expressionistischen Malerei in Deutschland (siehe Kasten). Weltberühmt sind seine ab 1911 entstandenen Tierdarstellungen: große Farbflächen, eine eigenwillige Bildsprache. Marc war einer der Begründer des legendären „Blauen Reiters“. Sein Malerfreund Wassily Kandinsky erklärte den Namen einmal so: „Beide liebten wir Blau. Marc – Pferde, ich – Reiter. So kam der Name von selbst.“
Geboren wurde Marc am 8. Februar 1880 in München. Lange Zeit wusste er nicht, ob er Theologie, Philologie oder Malerei studieren sollte. Während des Militärdienstes entschied er sich dann für die Kunst. Das Studium brach er ab, als er 1903 in Frankreich die Impressio­nisten für sich entdeckte, bildete sich fortan autodidaktisch weiter. Während eines Sommeraufenthaltes im oberbayerischen Kochel am See begann er, Tiere zu studieren und zu malen: Pferde, Rehe, Kühe, seinen Hund. In Berlin bot er danach sogar zeitweilig tieranatomische Zeichenkurse an.
Marc gilt bis heute als der bekannteste Tiermaler der Moderne. Die Bezeichnung verharmlost allerdings, was Kandinsky später so beschrieb: „Alles in der Natur zog ihn an, aber vor allem doch die Tiere. Was ihn anzog, war das organische Ganze, also die Natur im Allgemeinen“. „Niemals“ habe Marc sich in Details verloren.
Franz Marc hatte 1910 die Farb- und Kompositionskunst Kandinskys entdeckt, war August Macke begegnet. Es folgte eine entscheidende Wende in seinem Werk: Unzufrieden mit seinen großformatigen Kompositionen von Pferden auf der Weide zerstörte er diese Bilder. In seinen neuen Werken finden sich eine Großzügigkeit der Formen und eine neue Reinheit und Leuchtkraft unnatürlicher Farben. „Pferde. Die Formen alle ungeheuer stark und klar, damit sie die Farben aushalten“, schrieb er selbst.
Der Maler war in der Moderne angekommen. Am 18. Dezember 1911 eröffnete er zusammen mit Wassily Kandinsky in den Räumen der Münchner Galerie Thannhauser die erste Ausstellung der „Blauen Reiter“. Gezeigt wurden Werke unter anderem von Henri Rousseau, Robert Delaunay, August Macke und Gabriele Münter. Sie alle verband die Suche nach einer neuen Ausdrucksform. Sie wollten das Wesen der Dinge erfassen, suchten das Ursprüngliche, erprobten neue Methoden und scherten sich nicht um die akademische Kunst. Macke und er wollten das „Zentrum der modernen Bewegung“ werden, wie es Marc in einem Brief an seinen Bruder formulierte.
Ab 1914 entstanden Marcs erste abstrakte Gemälde. In Berlin hatte er Kontakt zu den Malern der Künstlergruppe „Die Brücke“ gefunden. Ein Schlüsselgemälde ist das bereits 1913 entstandene futuristische Werk „Tirol“, in das er 2014 – kurz bevor er als Soldat an die Front kam – eine Madonna mit Kind einfügte. Es enthält alle Elemente einer bedrohlichen Landschaft: flach geduckte Bauernhöfe am Fuße einer mächtigen Bergwand, ein verkohlter Baum, gleich einer apokalyptischen Sense, kein Lebewesen, stattdessen droht blutrot eine riesige Sonne hinter aggressiven Bergspitzen.
Mit Beginn des Ersten Weltkrieges meldete der Maler sich freiwillig zum Kriegsdienst, war anfangs wie viele andere Künstler geradezu euphorisch. Die Begeisterung verlor sich angesichts des grauenhaften Sterbens um ihn herum schnell. Der Tod seines Freundes August Macke im September 1914 als Soldat im Krieg mit Frankreich bedrückte ihn stark.
An der Front fertigte Marc vor allem Skizzen, Vorlagen für später geplante Bilder. Ein Skizzenbuch mit 36 Bleistift-Zeichnungen blieb erhalten. Eine trägt den Titel „Aus den Schöpfungstagen“, eine andere „Streit“. Im Februar 1916 sah es noch so aus, dass Marc vorzeitig aus dem Krieg entlassen werden würde. Doch ehe es dazu kam, starb er nahe Verdun an den Folgen eines Granatschusses.
Begraben wurde der Künstler im oberbayerischen Kochel am See. Dort hat 2009 das Franz Marc Museum eröffnet. Zum 100. Todestag erinnert es mit einer Ausstellungstrilogie an den Maler: „Zwischen Utopie und Apokalypse“. Drei Hauptwerke des Malers werden dazu als Leihgaben aus großen Sammlungen in den USA und Europa jeweils ein Vierteljahr in dem Museum gezeigt: „Das arme Land Tirol“ (seit 6. März bis 5. Juni),  „Weidende Pferde IV“ (12. Juni bis 11. September) und „Kämpfende Formen“ (18. September bis 15. Januar 2017).