Den Moment, der sein Leben veränderte, erlebte er auf dem Teppich liegend. Pastor Mehrdad Sepheri Fard kann sich noch genau an diesen Augenblick erinnern: „Es war nachmittags, so gegen vier Uhr. Ich lag zuhause auf dem Boden und las gerade in der Bergpredigt.“
Sepheri Fard zögert. Dann fährt er fort: „Plötzlich habe ich die Stimme von Jesus gehört: ,Mehrdad, lass dich taufen‘.“ Der Seelsorger legt eine kurze Pause ein. „Ich kann das, was ich dabei empfunden habe, kaum in Worte umfassen. Es war ein unglaubliches Gefühl, ein ganz und gar allmächtiges Gefühl, das keinerlei Zweifel zuließ. Ich habe mein Herz weit aufgemacht und laut gefragt: ,Jesus, willst du mich zu Deinem Werkzeug machen?‘“
Diese Begegnung in Teheran liegt inzwischen mehr als 30 Jahre zurück. Mehrdad Sepheri Fard, der seit dem Oktober vergangenen Jahres als hauptamtlicher Seelsorger für persischsprachige Christen im Bereich der Evangelischen Kirche von Westfalen sowie der Lippischen Landeskirche zuständig ist, war damals 17 Jahre alt und ein Wanderer zwischen den religiösen Welten.
„Religion hat in meinem Elternhaus immer eine große Rolle gespielt“, erinnert sich der 50-Jährige. Das umso mehr, als sich sein Vater vom Islam abgewandt und dem Christentum zugewandt hatte. Damals war Sepheri Fard zehn Jahre alt. „Ich wollte immer diskutieren und alles über Religion wissen.“ Deshalb hat er sich auch intensiv mit anderen Glaubensrichtungen auseinandergesetzt. „Das war Gottes Wille, dass ich mich mit so vielen unterschiedlichen Religionen beschäftigt habe, bevor ich mich für das Christentum entschieden habe.“
Eine Entscheidung, die im Iran einem Todesurteil gleichkommt. „Als ich mich zum Taufkurs angemeldet habe, hat man mir gesagt: ,Jetzt unterschreibst du dein Todesurteil.‘ Aber das hat mich nicht geschockt. Im Gegenteil: Ich war bereit, mein Leben für Gott zu opfern.“
Er war bereit, sein Leben für Gott zu opfern
Die folgenden Jahre waren geprägt von einem Leben, in dem er seinen Glauben nur im Untergrund ausleben konnte. „Wir haben im Park trotzdem öffentlich über Jesus gesprochen und sind dafür beschimpft und manchmal auch verprügelt worden. Aber das hat uns nichts ausgemacht. Meist haben wir darüber gelacht und am nächsten Tag weitergemacht. Wir wollten einfach nicht aufgeben und die Botschaft von Jesus Christus weitergeben.“
Doch die Toleranz im Iran anders Gläubigen gegenüber hat sehr, sehr enge Grenzen. Da bleibt es nicht bei ein paar Fausthieben: „Viele meiner Glaubensbrüder sind getötet, manche förmlich abgeschlachtet worden. Alles angeblich im Namen Allahs. Einem Pfarrer hat man sogar bei lebendigem Leib das Herz rausgeschnitten.“ Auch Sepheri Fard geriet zunehmend ins Visier der Geheimdienste. Dreimal hat man ihn ins Gefängnis gesteckt. Ist er auch gefoltert und mit dem Tod bedroht worden? Sepheri Fard senkt den Blick: „Darüber möchte ich nicht sprechen.“
Um seinen Glauben zu vertiefen und Gott noch näher zu kommen, hatte er inzwischen einen inoffiziellen Theologiekurs der Presbyterian Church of America besucht. Seine Prüfungen musste er in Zypern und in den USA ablegen.
Nach zehn Jahren im religiösen Untergrund reifte schließlich der Entschluss, den Iran zu verlassen: „Die Geheimpolizei hatte mich immer wieder bedroht und überwachte mich.“ Im August 1997 ließ die Familie alles zurück, was sie sich aufgebaut hatte: Den kleinen Buchverlag, den Sepheri Fard gegründet hatte, das Geschäft für Elektronik, Freunde, Verwandte. „Es gab kein Zurück mehr. Es war für mich und meine Frau zu gefährlich geworden.“
Über Hamburg, Bremen und Hamm sind sie schließlich in Paderborn gelandet. „Am Anfang war es keine leichte Zeit“, blickt der studierte Elektroniker zurück. Ein fremdes Land, fremde Menschen, fremde Sprache. Keine richtige Arbeit. „Ich habe anfangs alle möglichen Jobs angenommen; sogar in einer Schlachterei gearbeitet.“ Erst später hat er als Teamleiter bei Siemens-Nixdorf (heute Diebold-Nixdorf) eine Aufgabe gefunden, die seinen besonderen Fähigkeiten und Qualitäten gerecht wurde.