Seinen Namen hat er mit arabischen Schriftzeichen an die Tür geschrieben. Seit einem Jahr lebt Abraham in einer Wohngruppe für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge im saarländischen Völklingen. „Ich möchte in Deutschland bleiben, den Realschulabschluss machen und dann einen guten Job finden“, sagt der 18-jährige Eritreer.
Abraham besucht die Flüchtlingsklasse eines Berufskollegs in Sulzbach. Sein Deutsch ist noch schlecht. Für einen deutschen Schulabschluss wird er wohl noch länger brauchen. Ob er dort bleiben kann, hängt vom Einsatz der Lehrer und Betreuer des Diakonischen Werkes an der Saar ab. In Deutschland endet die Schulpflicht mit 18 Jahren. Volljährige jugendliche Flüchtlinge haben keinen Anspruch darauf, weiterführende Bildungsangebote besuchen zu können.
„Wir brauchen eine Initiative wie in Bayern, wo zahlreiche staatliche Berufsschulen Flüchtlingen bis zum Alter von 25 Jahren die Möglichkeit geben, ihre Schulabschlüsse nachzuholen“, fordert die Referentin für Erziehungshilfe der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe (RWL), Tanja Buck. Da laut einer aktuellen Umfrage der Diakonie RWL rund 70 Prozent der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge an Berufskollegs beschult werden, würde der Großteil von dieser Regelung profitieren.
Die Diakonie RWL hat 82 diakonische Mitgliedseinrichtungen zum Schulbesuch der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge befragt, die dort von der Erziehungshilfe betreut werden. Dabei stellte sie fest, dass es teils erhebliche Schwierigkeiten bei der Integration der Jugendlichen ins deutsche Schulsystem gibt. So wurden rund zehn Prozent zum Zeitpunkt der Befragung nicht beschult. Zum Teil warteten die jungen Menschen mehrere Monate, bis eine geeignete Schule für sie gefunden werde, kritisierte der Vorstand der Diakonie RWL, Christian Heine-Göttelmann. „Das widerspricht dem Recht auf Bildung und Integration.“
In Deutschland gibt es nach aktuellen Schätzungen rund 18 000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Sie werden von den örtlichen Jugendämtern in Obhut genommen und leben in Clearinghäusern, Wohngruppen oder eigenen Wohnungen. Die Kinder und Jugendlichen haben Anspruch auf Leistungen der Jugendhilfe. Dazu gehören eine sichere Unterkunft, pädagogische Betreuung mit der Vermittlung schulischer und beruflicher Perspektiven, medizinische Versorgung und psychologische Unterstützung.
„Die Jugendliche sollten möglichst schnell zur Schule gehen, um Deutsch zu lernen, Kontakt zu Gleichaltrigen zu finden und nach den teils traumatischen Erfahrungen auf ihrer Flucht wieder einen geregelten Alltag zu erleben“, rät Tanja Buck. Meist werden sie wie Abraham in internationalen Förderklassen oder im Rahmen einer inklusiven Beschulung in einer Regelklasse unterrichtet. „Diese Separierung dauert leider oft zu lange“, beobachtet die Erziehungsreferentin.
Tanja Buck kritisiert, dass es häufig an Konzepten für den Übergang in Regelklassen fehlt. Dieser Übergang muss ihrer Ansicht nach durch eine frühzeitige und kontinuierliche Zusammenarbeit vorbereitet werden. Möglichst zeitnah sollten die jungen Flüchtlinge gemeinsam mit deutschen Klassenkameraden unterrichtet werden.
In der aktuellen Umfrage sprachen sich viele diakonische Einrichtungen für eine zusätzliche Sprachförderung in den Wohngruppen der Kinder- und Jugendhilfe aus, in denen die jungen Flüchtlinge leben. Gerade diese Angebote für den alltagspraktischen Gebrauch der Sprache hätten sich als hilfreich herausgestellt, hieß es.
„Im Clearinghaus in Völklingen und den dortigen Wohngruppen können die Jugendlichen vom ersten Tag an Deutschkurse besuchen“, betont Volker Bourgett, Abteilungsleiter des Jugendhilfeverbundes der saarländischen Diakonie. „Außerdem kooperieren wir mit örtlichen Sportvereinen, so dass sie schnell in Kontakt zu deutschen Jugendlichen kommen.“ Für Abraham gehört das regelmäßige Fußballspiel und Schwimmen inzwischen zu den Highlights seines neuen Alltags in Deutschland.