evangelische-zeitung.de: Sie werden in einer Zeit Religionsfreiheitsbeauftragter, in der weniger als die Hälfte der Deutschen einer christlichen Kirche angehören. Macht das Ihre Aufgabe besonders schwierig oder besonders spannend?
Thomas Rachel (CDU): Es ist richtig, dass die Bedeutung von Kirche und Glauben für viele Menschen in Deutschland abnimmt. Es wäre aber falsch, von Deutschland auf die ganze Welt zu schließen. Da ist eine andere Entwicklung zu beobachten. Als Beauftragter für Religions- und Weltanschauungsfreiheit bin ich im Auswärtigen Amt angesiedelt. Wir haben alle Länder im Blick. Für vier von fünf Menschen weltweit hat Religion in ihrem Leben einen hohen Stellenwert. Religionsvertreterinnen und -vertreter genießen in vielen Ländern große Autorität. Sie sind starke Stimmen in der öffentlichen Debatte und spielen oft eine ganz zentrale Rolle für eine stabile Zivilgesellschaft. Sie bemühen sich um Frieden und können in Konflikten vermitteln, zum Beispiel in Kolumbien. Eine lebendige Zivilgesellschaft liegt in unserem Interesse, deshalb ist es für uns auch wichtig, gute Kontakte zu Religionsvertreterinnen und -vertretern auf der ganzen Welt zu pflegen.
Sie sind selbst im Rat der EKD engagiert. Inwieweit hilft Ihnen das bei der neuen Aufgabe?
Diese neue Aufgabe geht über den christlichen Kontext hinaus und verlangt einen offenen Blick für alle Menschen, die von Diskriminierungen aufgrund ihrer Religion und Weltanschauung betroffen sind, oder weil sie schlicht und ergreifend keiner Religion angehören. Der Schutz dieses grundlegenden Menschenrechts erfordert eine gemeinsame Anstrengung nicht nur von Regierungen. Auch Religionsgemeinschaften und die Zivilgesellschaft sind hier gefragt.
Thomas Rachel: Meine religiöse Identität hilft mir
Meine eigene religiöse Identität und das kirchliche Engagement helfen natürlich, ein tieferes Verständnis auch für Menschen anderer Religionen und Weltanschauungen zu entwickeln. Als praktizierender Christ bringe ich auch ein gewisses Maß an Gottvertrauen und ein positives Menschenbild mit. Das hilft denke ich bei jeder beruflichen und auch privaten Herausforderung im Leben.

Ihre wichtigste Aufgabe ist ein Bericht zur Religionsfreiheit weltweit. Ohne diesen Bericht vorweg nehmen zu wollen, aber an vielen Orten der Welt ist es um die Religionsfreiheit nicht gut bestellt. Wie kann man sicherstellen, dass Menschen weltweit ihrer Religion nachgehen können?
Religions- und Weltanschauungsfreiheit ist tatsächlich weltweit Angriffen und Versuchen von Einschränkungen ausgesetzt. Drei Viertel aller Menschen leben in einem Land, das ihre Religions- und Weltanschauungsfreiheit einschränkt. In meinem neuen Amt werde ich mich dafür einsetzen, diesen Menschen eine Stimme zu geben und für ihre Rechte einzustehen. Denn es ist wichtig, dass wir hinschauen und immer wieder auf diese Missstände aufmerksam machen. Damit signalisieren wir den Betroffenen: Ihr seid nicht auf euch allein gestellt. Mittelfristig wird es natürlich auch darum gehen, konkrete Instrumente zu erarbeiten, um Betroffene zu unterstützen.
Generell kritisieren Kirchenvertreter am Koalitionsvertrag, dass das Thema Kirche und Religion keine große Rolle spiele. Haben Sie die Befürchtung, dass dieses Thema angesichts weltweiter Krise immer weniger wahrgenommen wird?
Im Gegenteil. Wir setzen uns natürlich auf politischer und diplomatischer Ebene für den Frieden ein. Aber in einer Welt voller Krisen und Konflikte ist es sinnvoll, das Friedenspotenzial von Religionen zu erkennen, zu nutzen und religiöse Akteure in der Außenpolitik noch stärker einzubeziehen. Ich sehe es auch als Teil meiner Aufgabe, gegen radikale Strömungen einzutreten, die Religion gezielt als Vorwand für Spaltung und Hass missbrauchen. Kirchen und Religionsgemeinschaften können einen wichtigen Beitrag zum Frieden leisten. Und sie leisten einen unverzichtbaren Beitrag für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und das Gemeinwohl. Das betont auch der Koalitionsvertrag.