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Das Evangelium weitersagen

Eine neue Veranstaltungsreihe behandelt Fragen zum Thema „Religion und Gesellschaft“. Der Theologe Christian Grethlein ist überzeugt: Die verfasste Kirche muss sich öffnen

„Quo vadis Kirche – Was ist zu tun?“ ist der Titel einer neuen Veranstaltungsreihe innerhalb der Evangelischen Kirche von Westfalen. Die zentrale Frage ist, wie Kirche sich weiterentwickeln soll und kann. Zur Auftaktveranstaltung werden drei Referenten ihre Thesen vortragen und mit dem Publikum diskutieren, darunter auch Christian Grethlein. Mit ihm sprach Sabine Federmann.

Was sind die zentralen Herausforderungen, vor denen Kirche heute steht?
Die zentrale Aufgabe von Kirche ist es, die Kommunikation des Evangeliums zu fördern. Dies geschieht, indem Menschen dabei unterstützt werden, das Handeln Gottes in ihrem Leben zu erkennen und ihr Leben entsprechend zu gestalten. Die heutige staatsanaloge Organisationsform von Kirche in Deutschland verdankt sich einem früheren Kontext, der durch ein Gefälle zwischen Obrigkeit und meist wenig gebildeten Untertanen gekennzeichnet war. Das hat sich geändert und daraus resultiert eine große Herausforderung, damit Kirche ihre Aufgabe erfüllen kann. Es muss eine Gestalt für Kirche gefunden werden, die dem Kontext einer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft entspricht, in der die Menschen ihr Leben selbstverantwortlich gestalten. Auf den Punkt gebracht: Eine staatsanaloge Institution ist in eine zivilgesellschaftliche Organisation zu transformieren.

Angesichts dieser Herausforderung: Wie sollte die Kirche sich weiterentwickeln?
Im Neuen Testament – und auch bei den Reformatoren – war das Verständnis von „Kirche“ weiter als heute. Neben den Christen in einer Stadt, der Ortsgemeinde, und einer Region, der Landeskirche, werden auch die mit Christus verbundenen, also getauften Menschen in einem „Haus“ und auf dem ganzen Erdkreis als „Kirche“ bezeichnet. Hieraus und auf Grund vieler Veränderungen in der Lebenswelt, zum Beispiel Internet und Globalisierung, ergibt sich ein neuer Horizont für die Frage. Es geht auch – und vielleicht vor allem – um die Entwicklung von „Kirche“ in den Familien, Verwandtschaften und Bekanntenkreisen sowie im internationalen Bereich. Das, was wir heute umgangssprachlich als Kirche bezeichnen, die Ortsgemeinde und die Landeskirche, sind nur ein Teil der Kirche Jesu Christi. Kirche ereignet sich nicht nur in einem Gottesdienst im Kirchengebäude, sondern auch, wenn ein Mensch einen anderen pflegt, ihm zuhört und in einer schwierigen Situation weiterhilft oder Flüchtlinge aufnimmt. Es wird zukünftig eine wichtige Aufgabe sein, unsere verfassten Kirchen dafür zu öffnen und so auch zu entlasten. Zugleich kommt ihnen eine neue Aufgabe der Unterstützung und Begleitung von solchen anderen „Kirchen“ zu.

Was sind die Aufgaben von Kirche in der Öffentlichkeit?
In der ökumenischen Bewegung wurde die schöne Trias geprägt: Eintreten für Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung. Das bezeichnet präzise die Aufgabe von Kirche in der Öffentlichkeit. Dass dies nicht konfliktfrei möglich ist, liegt auf der Hand. Skandale aus der jüngsten Zeit zeigen, dass hemmungsloses Profitstreben damit unvereinbar ist. Dies muss Kirche auf ihren verschiedenen Ebenen klar kommunizieren.