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Damit sie nicht in Torheit geraten

Von Veit Hoffmann

Von Veit Hoffmann

Wir schauen täglich auf Syrien, ein fast zerstörtes Land. Weißglühend vor Gewalt, jeden Tag kommt ein Stoß Verzweiflung, Rache und Tod hinzu. Gewinner und Verlierer gibt es dort schon längst nicht mehr. Unerträglich sind mir die Nachrichten von Fassbomben, gefüllt mit Düngemittel, Diesel und Eisenschrott. Planlos abgeworfen auch über Schulen und Krankenhäusern. Unerträglich die Bilder von Flüchtlingen, Toten und umherirrenden Menschen. Als ob das alles nicht schon schlimm genug wäre, mischen nun auch marodierende Horden der ISIS im Namen ihres Gottes mit.

Was für ein Irrsinn spielt sich an der Grenze Europas ab?

In stillen Stunden denke ich manchmal, dass Gott mit der Menschheit nicht gerade ein Meisterstück abgeliefert hat. Ich glaube auch nicht, dass irgendein Gott zwischen den Kämpfern zu finden ist. Höchstens viele falsche Propheten. Gott ist längst im Exil, ich vermute ihn bei den hoffnungsmüden Menschen in den überfüllten Flüchtlingslagern.

Weshalb wird nicht eingegriffen? Unbegreiflich, dass mitten im 21. Jahrhundert solche Abscheulichkeiten begangen werden und die Welt schaut zu! Nach dem Völkermord in Ruanda (1994) und dem Massaker von Srebrenica (1995) rief die Völkergemeinschaft: „Nie wieder!“ 2001 wurde deshalb das Prinzip der Schutzverantwortung verabschiedet. Danach hat ein Staat nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten und trägt die Verantwortung dafür, seine Bevölkerung gegen Völkermord, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und ethnische „Säuberungen“ zu schützen. Kann oder will ein Staat dieser Pflicht nicht nachkommen, fällt die Schutzverantwortung der internationalen Staatengemeinschaft, also den Vereinten Nationen zu. Militärisches Eingreifen ist dabei die letzte Option. Vorher müssen alle möglichen Maßnahmen ergriffen werden, um den Teufelskreis, in dem sich Konflikte entwickeln zu durchbrechen. Dazu aber bedarf es der Zustimmung des UN-Sicherheitsrates. Dessen fünf ständige Mitglieder (USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien) sind sich jedoch selten einig. Ihre jeweiligen Interessen in der Region stehen einer Lösung im Weg. Das ist sehr bedauerlich! Bundespräsident Joachim Gauck hat sich kürzlich für eine politisch verantwortete militärische Gewalt ausgesprochen. Ihn deshalb als Kriegshetzer zu bezeichnen halte ich für verletzend und naiv. Ich jedenfalls würde eine Flugverbotszone über Syrien begrüßen. Jede Fassbombe ist zu viel. Ich gebe die Hoffnung auf eine Lösung des auch sehr religiösen Konflikts nicht auf. Bestärkt werde ich in dieser Hoffnung besonders durch den 85. Psalm: Könnte ich doch hören, was Gott der Herr redet, dass er Frieden zusagt seinem Volk und seinen Heiligen, damit sie nicht in Torheit geraten. … dass in unserem Lande Ehre wohne, dass Güte und Treue einander begegnen, Gerechtigkeit und Frieden sich küssen. Dass Treue auf der Erde wachse und Gerechtigkeit vom Himmel schaue … Keine Fassbomben wohl aber Frieden und Gerechtigkeit vom Himmel. Das wünsche ich den gebeutelten Menschen. Ich brauche solche Worte, wenn die Hoffnungslosigkeit mich einzufangen und festzuhalten versucht.