Kirche – Zukunft – Jugend: Das passt einfach alles nicht mehr zusammen, heißt es immer häufiger. Schlagworte wie Traditionsabbruch, Werteverlust, Säkularisierung, demographischer Wandel, Individualisierung und Privatisierung jugendlichen Glaubens zeigen: Es sieht nicht gut aus für die Institution Kirche.
Dass dieses Thema auch innerhalb der kirchlichen Jugendarbeit auf großes Interesse stößt, das belegte der mit rund 180 Teilnehmenden voll besetzte Fachtag „Jung, engagiert und eigenwillig – Die Zukunft der Kirche?!“ des Amtes für Jugendarbeit der Evangelischen Kirche von Westfalen am 5. Februar in Haus Villigst in Schwerte. Kompassnadel des Tages waren die im Überblick vorgestellten Forschungsergebnisse der neuen Studie „Generation Lobpreis und die Zukunft der Kirche“.
Die empirische Studie hat im Auftrag des Amtes für Jugendarbeit der Evangelischen Kirche von Westfalen untersucht, wie 16- bis 29-jährige Christinnen und Christen ihren Glauben leben, was für ein Bild diese Generation von Kirche hat, wofür sie sich engagiert und woran sie genau glaubt. Die Professoren Tobias Faix und Tobias Künkler vom Forschungsinstitut empirica für Jugend, Kultur und Religion der CVJM-Hochschule in Kassel zeichneten ein lebendiges Bild von jungen Menschen, für die Lobpreismusik (Worship) und das persönliche Gebet ihren Angaben nach die größten Quellen des Glaubens sind. „80 Prozent dieser Jugendlichen beschreiben, dass sie den Glauben in ihrem Alltag als Hilfe erleben“, so Faix. Mehr als die Hälfte bete mehrmals täglich. Eine relativ unbeachtete Gruppe „Hochreligiöser“, wie die Forschung sie nennt, von immerhin 20 Prozent aller Jugendlichen. – „Na bitte“, mag mancher denken, und hoffen, dass die Zukunft der Kirche damit gesichert ist.
Doch gerade diese Gruppe junger Menschen hat ihre ganz eigenen Vorstellungen, wie sie Kirche erleben will. Nämlich eigentlich nur, wenn sie sie mitgestalten können, mit ihren Ideen und Vorstellungen vorkommen und ernst genommen werden. Sie möchten Gott nicht doziert bekommen, sondern erleben und sie wünschen sich Vorbilder, die ihnen auf Augenhöhe im Face-to-Face-Kontakt Orientierung bieten können. Das Eigenwillige dabei: Wenn die traditionelle Gemeinde ihnen diese Möglichkeit nicht bietet, dann machen sie es eben ohne sie.
„Es reicht nicht mehr aus, jungen Menschen innerhalb der Kirche Projekte im Sinne einer Spielwiese zu ermöglichen“, so Faix. Die Zukunftsfähigkeit der Kirche hänge davon ab, nicht ob, sondern wie schnell es Kirche gelingt, konsequent auf allen Ebenen neue partizipative Wege zu beschreiten. Jugendarbeit sei dabei schon immer Vorreiter gewesen.
Die hohen Potenziale der Jugendarbeit verdeutlichte auch Julia von der Gathen-Huy vom Deutschen Jugendinstitut und der TU Dortmund. Ihre Forschungsergebnisse attestieren der Jugendarbeit insgesamt eine hohe Relevanz für die Felder Bildung, Vergemeinschaftung, Verantwortungsübernahme und Integration.
Zu den Gästen des Tages gehörte auch Dieter Beese. Der zuletzt bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand vor wenigen Wochen noch zuständige Landeskirchenrat für die Jugendarbeit moderierte das abschließende Gespräch. Er kommentierte, dass es von Seiten der Landeskirche immer eine große Offenheit gab, die evangelische Jugendarbeit zu tragen. Die hochreligiösen jungen Menschen seien eine große Ressource und kirchliche Personalentwicklung habe momentan Priorität.
„Ich finde, es wäre schon mal der richtige Anfang, nicht jede Gelegenheit zu nutzen, um Profi-Stellen in der Jugendarbeit wegzukürzen“, bewertete eine teilnehmende Gemeindepädagogin die weitergehenden Lösungsansätze. „Alles was ich hier höre mündet darin, dass es Beziehungen zu jungen Menschen braucht. Das ist unser Job als Jugendarbeit. Das funktioniert aber nur dann, wenn es auch flächendeckend die entsprechenden Stellen gibt.“
Bereits die Untersuchung „Realität und Reichweite“ hat 2006 beschrieben, dass echte Partizipation die Basis für Identifikation mit Kirche ist. „Seit über 20 Jahren wird Jugendarbeit nicht müde, immer wieder darauf hinzuweisen und gelebte Partizipation bei Kirche einzufordern. Und zwar so, wie Jugendliche es brauchen und nicht, wie es Kirche am besten passt. Mir scheint die Zeit nun mehr als reif“, kommentierte Landesjugendpfarrer Udo Bußmann die Ergebnisse des Tages.
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Da wimmelt‘s nur so von Ideen
180 Teilnehmende des Fachtags „Jung, engagiert und eigenwillig – Die Zukunft der Kirche?!“ des Amtes für Jugendarbeit in Haus Villigst erörtern Studienergebnisse und Konsequenzen daraus für die Jugendarbeit
