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Christlicher Popmusik fehlt musikalische Tiefe

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UK 41/2015, Kirchenmusik (Seite 7: „,Kirchliche Kultur-Reformation‘“)
Die kirchliche Musikkultur soll also einer „Reformation“ unterzogen werden. Dafür hat die Landeskirche eine Pop-Akademie gegründet und, weil die Hochschule für Kirchenmusik offenbar nicht mehr ausreicht, auch die Creative Kirche mit ins Boot geholt. Von hier wird jetzt die Rettung erwartet – wohl in der Hoffnung, dass Popmusik im Gottesdienst die Menschen ähnlich anzieht wie die Massen-Oratorien „10 Gebote“ oder „Luther“.
Die klassische Kirchenmusik reibt sich die Augen: „Was haben wir in den letzten 50 Jahren nicht alles versäumt …“ Zu hoch waren die Rosse, auf denen wir „Etablierten“ saßen, zu wenig haben wir „dem Volk aufs Maul geschaut“. Jetzt reden andere mit Schlager und Worship-Musik dem Volk nach dem Mund. Immerhin – man muss ja getrost  sein, dass auch die Pop-Kantorinnen und -Kantoren lernen, den evangelischen Choral wenigstens auf C-Niveau (oder darunter?) auf der Pfeifenorgel zu begleiten.
Meiner Beobachtung nach führte die „Bandkultur“ in den Gemeinden bisher ein eigenständiges, engagiertes Leben (wenn auch auf einfachem musikalischem Niveau). In dieser Laienbewegung treffen sich die Menschen gern und machen Musik, wie sie eben können – laut und begeistert. Eine singende Gemeinde im Sinne eines „Sollt ich meinem Gott nicht singen“ braucht diese Bewegung allerdings nicht. Ein Singstil des „Aussichherausgehens" im Sinne des Belcanto, wie wir es von Kirchen und Volksliedern kennen, ist weitgehend in der Popszene unbekannt.
Nach etlichen Umfragen unter Band-Musikern merkte ich, dass ihnen Fortbildung oder „Professionalisierung“ gar nicht in erster Linie wichtig erscheint. Sie sind ganz zufrieden mit dem Ist-Zustand. Hauptsache punktiert und synkopiert …und laut …, das reicht. Warum viel üben, wenn das, was da ist, Spaß macht und Anerkennung findet, auch bei Pfarrerinnen und Pfarrern?
Vielleicht kommt es durch die geplante „Professionalisierung“ jetzt zu einem Phänomen, das immer auftritt, wenn Subkulturen in den Mainstream eingegliedert werden sollen: Das Vorgenommene schrumpft, es verkleinert sich, bis es unhörbar leise wird – und zwar deshalb, weil die musikalische Kraft und Tiefe fehlt. Ob das die Pop-Unterstützer in der Landeskirche schon bedacht haben? Danach könnte es sein, dass wir wieder anspruchsvolle Orgelkunst ausüben und hören wollen – falls es bis dahin nicht zu spät für Instrumente und Spieler ist.

Martin Rieker, Kirchenmusikdirektor,
Halle (Westfalen)