Jeden Freitag setzen sich junge Menschen auf Demos für den Klimaschutz ein. Klaus Breyer, Leiter des Instituts für Kirche und Gesellschaft, ist seit Jahrzehnten in der deutschen und internationalen Energie- und Klimapolitik engagiert. Thea Jacobs ist am Institut wissenschaftliche Referentin für politische Jugendbildung. UK unterhielt sich mit beiden über die Fridays-for-Future-Bewegung.
• Seit Wochen gehen Schülerinnen und Schüler und auch Studierende jeden Freitag für den Klimaschutz auf die Straße. Wie stehen Sie, Frau Jacobs, zur Fridays-for-Future-Bewegung?
Ich finde es wahnsinnig beeindruckend, was die Jugendlichen und jungen Erwachsenen da auf die Beine stellen. Sie setzen sich für nichts weniger als den Erhalt unserer Lebensgrundlagen ein – für alle Menschen. Dabei nehmen sie in Kauf, dass ihr Engagement für sie persönlich negative Folgen haben kann. Unentschuldigtes Fehlen in der Schule kann Sanktionen nach sich ziehen, aber vor allem verpassen sie den Unterricht und müssen selbst dafür sorgen, dass sie den Stoff nachholen. Ich finde den Vorwurf, sie wollten nur die Schule schwänzen, nicht haltbar. Ihr Protest ist bunt, kreativ, friedlich – und ansteckend! Es schließen sich immer weitere Menschen den Demos an. In den größeren Städten bilden sich nun auch die Elterngruppen, die Parents for Future, die samstags nach dem Vorbild ihrer Kinder demonstrieren.
• Herr Breyer, Schulstreik für den Klimaschutz? Ist das der richtige Weg?
Der Protest ist wohlbegründet und ein ganz wichtiges Signal an Politik und Gesellschaft. Mit Blick auf eine nachhaltige lebenswerte Zukunft kann es ja wirklich nicht so weitergehen! Die Schere zwischen dem was wir über Klimawandel und Klimaschutz wissen, dem, was bereits politisch vereinbart worden ist und dem was wirklich geschieht, geht immer weiter auseinander. Die deutschen Klimaziele werden für 2020 drastisch verfehlt. Gleiches gilt aktuellen Trendprognosen folgend für 2030. Das heißt: Wir müssen im Klimaschutz deutlich besser werden und das besonders schnell. Noch besteht die Möglichkeit dazu. Aber das Zeitfenster wird sich in den nächsten Jahren schließen. Die bisherige Politik ist alles andere als generationengerecht und zukunftsichernd. Die „Fridays for Future“-Bewegung weist massiv darauf hin und stellt mit ihren Protesten ein zentrales Grundversprechen der Politik in Frage. Das kann ich nur unterstützen.
Nicht erst in Zukunft, sondern schon heute trifft der Klimawandel viele, besonders verletzliche Menschen im globalen Süden. Jene, die am wenigsten zu seinem Entstehen beigetragen haben, leiden besonders unter seinen Auswirkung. Schon heute macht der Klimawandel Menschen zu Flüchtlingen, schürt Konflikte und verschärft Armut.
• Frau Jacobs, Sie haben Kontakte geknüpft zu den Aktivistinnen und Aktivisten in Bochum, Wattenscheid und Dortmund. Was haben Sie für einen Eindruck von ihnen gewonnen?
Ich habe sehr politische und reflektierte Menschen getroffen. Sie hinterfragen den Status quo und stecken dabei noch nicht in den immer gleichen Argumentationsmustern oder realpolitischen Zwängen. Diese Unvoreingenommenheit ist erfrischend und bildet einen Gegenpol zur aktuellen Klimapolitik. Jede Regionalgruppe organisiert sich eigenständig und unabhängig von anderen. Gleichzeitig sind sie super gut vernetzt über die Messenger-Dienste Whatsapp und Telegram, tauschen Informationen aus und verbreiten Fotos und Demoaufrufe über Facebook oder Instagram.
• Nach etwa 16 Wochen Demos hat Fridays for Future Deutschland nun ein Forderungspapier veröffentlicht. Wie ordnen Sie das ein, Frau Jacobs?
In einer Demo-Rede sagte Therese Kah aus Dortmund, die aufgestellten Forderungen seien nicht radikal, sondern sie würden nur das fordern, was Wissenschaftler*innen schon seit Jahrzehnten sagen. Radikal bedeutet im Wortsinn allerdings nichts anderes als von der Wurzel her gedacht, also grundlegend. Und in dem Sinne sind die Forderungen vielleicht doch radikal: Sie nehmen die wissenschaftlichen Erkenntnisse als Grundlage für ihren Anspruch an die Politik und fordern die konsequente Umsetzung der Klimaziele von Paris. Ich finde es gut und wichtig, nicht hinter diese Erkenntnisse zurückzutreten, sondern die Verwirklichung zu fordern.