Artikel teilen:

Bundestag dringt auf Dokumentationszentrum über NS-Herrschaft

Der Bundestag hat seine Forderung nach einem Dokumentationszentrum in Berlin über die Dimension der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten in ganz Europa bekräftigt. In einer am Donnerstagabend verabschiedeten Entschließung fordert das Parlament die Bundesregierung auf, die bislang vorliegenden Pläne „umfassend und zügig“ umzusetzen. Konkret verlangt es unter anderem, dafür ein geeignetes Grundstück sowie die notwendigen Sach- und Personalmittel zur Verfügung zu stellen. Für die Entschließung stimmten die Fraktionen von SPD, Grünen, FDP und Union. AfD und Linke enthielten sich.

Mit der Errichtung des Dokumentationszentrums „Zweiter Weltkrieg und deutsche Besatzungsherrschaft in Europa“ solle im Zentrum Berlins ein Ort geschaffen werden, der den Krieg, die nationalsozialistische Besatzungsherrschaft und die bis heute nachwirkenden Erfahrungen in den besetzten Länder umfassend dokumentiert, historische Wissensvermittlung vorantreibt, Wissenslücken durch Forschung schließt und angemessenen Raum für das Gedenken an die Opfer bietet, heißt es in der Entschließung des Bundestags.

Weiterhin gebe es in der Bevölkerung Wissenslücken über diese Zeit, sagte der Grünen-Abgeordnete Erhard Grundl. Die CDU-Politikerin Annette Widmann-Mauz sagte, in Deutschland stehe im kollektiven Gedächtnis oft der Krieg im Vordergrund, in anderen europäischen Ländern dagegen das Trauma der Besatzung. Letzteres solle im Mittelpunkt des geplanten Zentrums stehen. Die Pläne für das Zentrum sehen vor, auch bislang weniger stark beachtete Opfergruppen sowie das Leiden der Zivilgesellschaft unter der NS-Herrschaft insgesamt stärker ins Bewusstsein zu rücken.

Die AfD sprach sich im Bundestag gegen das Vorhaben in dieser Dimension aus. Die Linken-Abgeordnete Petra Sitte erklärte die Enthaltung ihrer Fraktion damit, dass die Entschließung die Geschehnisse nicht mehr klar als „Vernichtungskrieg“ bezeichne. Im Bundestagsantrag für das Zentrum aus dem Oktober 2020 war das noch der Fall gewesen.

Der Bundestag hatte in der vergangenen Wahlperiode für die Errichtung eines solchen Zentrums mit einer gesamteuropäischen Perspektive votiert. Ein zwischenzeitlich beim Deutschen Historischen Museum beauftragter Realisierungsvorschlag sieht für das Zentrum eine Nutzfläche von 15.000 Quadratmetern für ständige und wechselnde Ausstellungen, Veranstaltungen, Tagungen und Mitarbeiterstab vor. Die Kosten für einen dafür geeigneten Neubau werden auf 120 Millionen Euro geschätzt, für die Realisierung der Ausstellung auf 14 Millionen Euro. Zusätzlich plant der Bund ein Deutsch-Polnisches Haus in Berlin, wo insbesondere an die Gräueltaten in Polen während des Zweiten Weltkriegs erinnert werden soll.