Jetzt soll es schnell gehen: Die Bundesregierung drängt nach Solingen auf die Umsetzung eines Sicherheitspakets. Pro Asyl sieht in dem Konzept massive Rechtsverstöße und setzt auf die Gerichte.
Die Bundesregierung drängt auf eine rasche rechtliche Umsetzung des “Sicherheitspakets”, das sie wenige Tage nach dem islamistisch motivierten Messerangriff von Solingen vorgelegt hat. Dazu verschickten das Bundesinnen- und das Bundesjustizministerium in der Nacht zu Samstag eine sogenannte “Formulierungshilfe” an die Spitzen der Ampelfraktionen, die aus dem Text einen Gesetzesentwurf machen sollen, wie der “Spiegel” am Wochenende berichtet.
Im Mittelpunkt stehen Asylrechtsverschärfungen. So heißt es in dem Papier: “Menschen, die in der Bundesrepublik Deutschland Schutz suchen und denen Schutz gewährt wird, wird zukünftig die Schutzanerkennung verweigert beziehungsweise aberkannt, wenn Straftaten mit einem antisemitischen, rassistischen, fremdenfeindlichen, geschlechtsspezifischen, gegen die sexuelle Orientierung gerichteten oder sonstigen menschenverachtender Beweggrund begangen wurden.”
Zudem sollen “Heimreisen von anerkannt Schutzberechtigten in der Regel zur Aberkennung des Schutzstatus führen”. Wer also in Deutschland Asyl genießt, aber etwa für Familienbesuche in sein Heimatland fährt, muss damit rechnen, den Asylstatus zu verlieren und abgeschoben zu werden.
Mit Ausweisung muss überdies rechnen, wer “bestimmte Straftaten unter Verwendung einer Waffe oder eines sonstigen gefährlichen Werkzeugs” begeht. Die Bundesregierung forciert darüber hinaus Leistungskürzungen für ausreisepflichtige Asylsuchende, für deren Verfahren ein anderer EU-Staat zuständig ist – sogenannte Dublin-Fälle, die beim Eintritt in die EU anderswo bereits registriert wurden. Sie sollen “angehalten werden, in den für die Prüfung ihres Antrags zuständigen Staat zurückzukehren, um die Ihnen dort zustehenden Aufnahmeleistungen” zu beziehen.
Reformen im Waffenrecht sollen für weniger Messer im öffentlichen Raum sorgen. “Damit Extremisten und Terroristen nicht in den Besitz von Waffen kommen und leichter entwaffnet werden können, werden die gesetzlichen Regelungen verschärft”, heißt es dazu im Regierungspapier. Dazu sollen künftig bei Volksfesten, an Bahnhöfen und im öffentlichen Personenverkehr Messer verboten sein – “unabhängig von der Klingenlänge”. Die Kontrollbefugnisse der Polizei sollen ausgeweitet werden. Ausdrücklich erwähnt werden Springmesser, da sie “besonders gefährlich” seien. Bei registrierungspflichtigen Waffen sollen künftig auch Bundespolizei und Zollkriminalamt von Behörden konsultiert werden, um zu beurteilen, ob jemand als zuverlässig gilt.
Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl zeigte sich entsetzt über die geplanten Maßnahmen. Mit einem kompletten Leistungsausschluss für Dublin-Fälle verstoße die Bundesregierung “sehenden Auges gegen das Grundgesetz. Denn sie weiß: Grundsätzlich stößt jede zusätzliche Kürzung der eh schon geringen Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz auf erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken.”
Zudem scheiterten die meisten Dublin-Überstellungen an den anderen Mitgliedstaaten oder den deutschen Behörden – auch nach der Zustimmung des entsprechenden Mitgliedstaates, betont die Hilfsorganisation. Und den Betroffenen selbst sei es in der Regel nicht erlaubt, selbstständig in den zuständigen EU-Staat zurückzukehren. “Ihre Leistungen dann auf Null zu setzen, obwohl sie ihre Situation nicht mehr ändern können, ist mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht vereinbar. Die Sozialgerichte werden mit Sicherheit diesen Angriff gegen die Menschenwürde nicht akzeptieren.”