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Bundeskunsthalle zeigt Ausstellung über Lebensreform-Bewegungen

Die Hippie-Kultur der 1960er Jahre hatte Vorläufer. Um 1900 bildete sich eine breite Lebensreformbewegung. Sie hatte Auswirkungen auf Alltag, Architektur und Kunst. Die Bundeskunsthalle widmet ihr eine Ausstellung.

Die Bundeskunsthalle in Bonn stellt die Lebensreform-Bewegungen im frühen 20. Jahrhundert in den Mittelpunkt einer neuen Ausstellung. Unter dem Titel “Para-Moderne” beschäftigt sich die kulturhistorische Schau ab Freitag mit alternativen Lebensentwürfen, die insbesondere in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts Einfluss auf die Gesellschaft gewannen.

In acht Kapiteln werden Beispiele der unterschiedlichen Reformbewegungen aus den Bereichen Kunst, Design und Alltagskultur gezeigt. Dabei geht es unter anderem um Themen wie die Rückkehr zur Natur, ein Leben in Frieden, die Körperkultur und Spiritualität. Anarchisten und Theosophen, Vegetarier und Pazifisten suchten damals nach Freiheit von den Zwängen des bürgerlichen Lebens, vom Kapitalismus und der industriellen Gesellschaft. Die Lebensreform-Bewegung fand ihren Ausdruck in vielen Bereichen der Alltagskultur: in vegetarischer Ernährung, Naturheilkunde, Ablehnung der bürgerlichen Ehe und alter Geschlechterrollen, Freikörperkultur, Fitness und nicht zuletzt in neuen Bild- und Kommunikationsmedien, mit denen all dies propagiert werden konnte.

Die bis zum 10. August dauernde Ausstellung befasst sich auch mit der Frage, wie die neuen Lebensentwürfe die Gesellschaft bis in die Gegenwart beeinflussen. So geht es um Denkansätze, die wegbereitend für heutige Überlegungen zu Nachhaltigkeit, Gesundheit und Gemeinwohl waren. Darüber hinaus werden Strömungen beleuchtet, die eine Idealisierung des gesunden Körpers und völkische Heilslehren propagierten und damit Anschluss an den Nationalsozialismus fanden.

In der Ausstellung bildet das Gemälde “Nuda Veritas” (1899) von Gustav Klimt einen zentralen Ausgangspunkt, um die Verknüpfung von Kunst und Weltsicht anschaulich zu machen. Die 1897 gegründete Künstlervereinigung Wiener Secession und deren erster Präsident Klimt formulierten den Anspruch, die Kunst aus der akademischen Gefangenschaft zu befreien. Ihre Kunst war Ausdruck der emanzipatorischen Idee, die dem Expressionismus und Jugendstil und seinen verwandten Bewegungen in ganz Europa zugrunde lag.

Neben den Entwicklungen in Europa zeigt die Ausstellung auch die Verbindungslinien zur amerikanischen Counter-Culture (Gegenkultur) und der Flower-Power-Bewegung. Mit einer kulturellen Revolution, die sich gegen konservative Werte, den Vietnamkrieg und die Konsumgesellschaft auflehnte, standen die Rebellinnen und Rebellen der 1960er Jahre in enger Verbindung zu den Ideen der Lebensreformen um 1900.