Die Frankfurter Buchmesse hat sich nach Einschätzung der Veranstalter in den 75 Jahren ihres Bestehens zu einem “Ort gelebter Demokratie” entwickelt. Die weltgrößte Bücherschau habe sich “als Ort der Meinungsfreiheit, der Meinungsvielfalt und als Ort des friedlichen Miteinanders der Kulturen der Welt” etabliert, sagte die Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Karin Schmidt-Friderichs, am Dienstag bei der Eröffnungspressekonferenz. Heute seien diese Werte immer mehr bedroht.
“Die terroristischen Angriffe der Hamas auf Israel schockieren uns zutiefst”, sagte Schmidt-Friderichs. “Unser Mitgefühl gilt allen Opfern der Gewalt in Israel und in Palästina.” Die 75. Buchmesse wird am Dienstagnachmittag im Beisein der slowenischen Staatspräsidentin Natasa Pirc Musar eröffnet. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nimmt aufgrund einer kurzfristigen Israel-Reise nicht an der Feier teil und wird durch Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) vertreten.
“Die Welt ist aus den Fugen geraten”, sagte Buchmesse-Direktor Juergen Boos. Er sprach von einer Krise des Klimawandels und einer Krise der westlichen Demokratien. Seit dem 7. Oktober erlebe man “einen neuen schrecklichen Höhepunkt der Gewalteskalation in Israel”. Bücher könnten die Unmenschlichkeit politischer Systeme entlarven. Bei der Frankfurter Buchmesse gehe es “immer um Menschlichkeit”, betonte Boos. Im Zentrum stehe die Begegnung.
Boos verteidigte die vom Verein Litprom angekündigte Verschiebung der eigentlich für Freitag vorgesehenen Verleihung des “LiBeraturpreises” an die palästinensische Autorin Adania Shibli. Es sei auch darum gegangen, Autoren “vor einer ‘Hetzmasse’ zu schützen”, sagte Boos mit Verweis auf den Literaturnobelpreisträger Elias Canetti (1905-1994). Canetti hatte diesen – dem modernen Shitstorm – ähnlichen Begriff der “Hetzmasse” geprägt.
Schmidt-Friderichs sagte weiter, sie beobachte mit Sorge, dass in Deutschland extreme Positionen in der Gesellschaft und in der Parteienlandschaft immer mehr Zuspruch fänden. “Wir müssen die freiheitlichen demokratischen Grundrechte verteidigen – als Einzelne, als Branche und als Gesellschaft”, forderte Schmidt-Friderichs.