Diesen Roman habe ich (fast) in einem Zug zu Ende gelesen. Er hat mich von Anfang an in den Bann gezogen. Nun kenne ich die Autorin Judith Hages: als Archivarin im Stadtarchiv Düren (inzwischen andernorts) und zivilgesellschaftlich engagiert im Kampf gegen den rechtsnationalen Sumpf unserer Zeit. In diesem Kontext hat sie ihren inzwischen dritten Roman geschrieben, der im Berlin des Kriegsjahres 1943 spielt.
Emmas Ehemann ist SS-Offizier im Propaganda-Ministerium und „begeistert“ auch den Sohn Paul. Sie beobachtet das Unrecht gegen Juden, ahnt, dass die möblierte Wohnung, die sie beziehen, vorher Deportierten oder Geflohenen gehörte. Sie verliebt sich in den Kollegen ihres Mannes und kommt durch ihn in Kontakt mit einer Widerstandsgruppe, der sie sich anschließt. Ihr Mann kommt dahinter und verfolgt und demütigt sie ohne jedes Nachsehen. Auch wenn der Roman fiktiv ist, hat die Autorin recherchiert und damit auch Maria Gräfin von Maltzahn (1909–1997) ein literarisches Denkmal gesetzt. Sie hat als Tierärztin gearbeitet und in ihrer Wohnung in Berlin-Wilmersdorf in der Detmolder Straße 11 Juden versteckt.
Ein literarisches Denkmal für den Widerstand
Ebenfalls in Wilmersdorf besteht heute noch die schwedische Viktoriakirche, die über die „Aktion Schwedenmöbel“ Verfolgte rettete: Möbel ausreisender schwedischer Staatsbürger wurden in verplombten Waggons nach Schweden transportiert und in diesen Personen versteckt. An sie wird auch in dem Roman gedacht: Emma kann ihren Sohn außer Landes in Sicherheit bringen. Neben dieser faszinierenden Story bewegt mich beim Lesen, wie in der Nazi-Zeit die klaren Anzeichen doch ignoriert werden konnten und was in unserer gegenwärtigen Situation zu tun sei. Der Roman ist ein „Appell an das Gewissen“ heute – jedem und auch Schulklassen zur Lektüre sehr zu empfehlen.
Dirk Siedler ist Pfarrer in Düren (Nordrhein-Westfalen).
Judith Hages, Zeit des Gewissens, tredition-Verlag, Hamburg 2025, 283 Seiten, 15 Euro.
