Eine britische Medizin-Behörde hat eine besondere Gentherapie für die Behandlung der Krankheiten Sichelzellanämie und Beta-Thalassämie zugelassen: Es handele sich um die erste Therapie auf Basis der Genschere CRISPR/Cas, die die Regulierungsbehörde für Arzneimittel und Gesundheitsprodukte (MHRA) erlaubt hat, berichtete das in Köln ansässige Science Media Center (SMC) am Donnerstag.
Sichelzellanämie und Beta-Thalassämie sind Erkrankungen, die durch Fehler in den Genen für den Blutfarbstoff Hämoglobin verursacht werden. Insbesondere die Sichelzellanämie kann für Patienten lebensbedrohlich sein. Sie führt dazu, dass rote Blutkörperchen die abnormale Form einer Sichel annehmen. Dadurch kommt es zu starken Schmerzen, Anämien, Verstopfungen der Blutgefäße und Organschäden.
Die einzige nachhaltige Therapie ist bislang eine Stammzelltransplantation. Weltweit werden jährlich rund 400.000 Neugeborene mit der Sichelzellkrankheit geboren, davon 80 Prozent in Afrika. Bei Menschen mit Beta-Thalassämie kann der Gendefekt zu schwerer Blutarmut führen. Die Patienten benötigen häufig regelmäßige Bluttransfusionen sowie lebenslang Injektionen und Medikamente.
Mithilfe der neuen Therapie ist es laut SMC nun möglich, die genetischen Fehler beim Hämoglobin umzukehren. Zunächst werden den Patienten Blutstammzellen entnommen. Im Labor wird in ihnen mit der Genschere CRISPR/Cas gezielt ein Gen zerstört, das für die fehlerhafte Entwicklung verantwortlich ist. Die veränderten Blutstammzellen werden den Patienten dann wieder über die Blutbahn zugeführt. Im Knochenmark werden daraufhin statt der fehlerhaften die modifizierten Stammzellen hergestellt. Für den Erfolg der Behandlung ist allerdings vor der Rückführung der veränderten Stammzellen eine hochdosierte Chemotherapie notwendig.
Mit der sogenannten Genschere können Wissenschaftler das Erbgut von Pflanzen, Tieren und Menschen gezielt verändern. Durch die mit einer “Hochpräzisions-Schere” verglichene Technik können einzelne Gene oder kleinste DNA-Bausteine mit Hilfe zelleigener Enzyme eingefügt, verändert oder ausgeschaltet werden.
Deutsche Wissenschaftler sehen in der neuen Therapie gegen Sichelzellanämie und Beta-Thalassämie ein vielversprechendes Verfahren, das allerdings sehr teuer ist und in seinen Langzeitwirkungen beobachtet werden muss.
Der Regensburger Onkologe Selim Corbacioglu betonte am Donnerstag, der große Vorteil der Therapie sei, dass es anders als bei der Stammzelltransplantation keine Immunreaktionen gebe, weil körpereigene Zellen des Patienten verwendet würden. Trotz erster großer Erfolge sei anzumerken, dass der Nachbeobachtungszeitraum vergleichsweise kurz sei und Nebenwirkungen weiterhin denkbar seien.
Der Heidelberger Onkologe Joachim Kunz betonte, die Studien seien sehr vielversprechend. Es sei aber möglich, dass die Wirkung der Gentherapie über die Jahre nachlasse, weil beispielsweise die Lebensdauer der manipulierten Blutstammzellen verkürzt sei. Zudem sei die Therapie sehr komplex und teuer, so dass sie nur für eine begrenzte Zahl von Patienten pro Jahr zur Verfügung stehen könnte. Außerdem werde durch diese Gentherapie nicht das Erbgut verändert. “Das Sichelzellmerkmal kann also weiterhin auf die Nachkommen vererbt werden.”