Eine verhinderte Abschiebung und über 200 Fälle von Kirchenasyl: In Bremen tobt ein Streit um den kirchlichen Umgang mit Geflüchteten. Die Bremische Evangelische Kirche verteidigt ihre Position.
Die Bremische Evangelische Kirche hat den Vorwurf zurückgewiesen, sie gewähre Geflüchteten zu häufig Kirchenasyl. Das Problem sei nicht die Kirche, sagte der Leitende Geistliche der Kirche, Schriftführer Bernd Kuschnerus, in einem Interview des “Weser-Kuriers” (Freitag). “Das eigentliche Problem ist eine Flüchtlingspolitik, die offensichtlich nicht funktioniert.” Die Kirche sei mit Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) im Gespräch. Ziel sei, zu einem guten Einvernehmen zurückzukommen.
In der Hansestadt läuft derzeit eine Debatte über das Kirchenasyl. Vergangene Woche hatten die Behörden vergeblich versucht, einen Somalier, der nach Finnland überstellt werden sollte, aus den Räumen einer Kirchengemeinde zu holen. Der Versuch scheiterte am Widerstand des Pastors und rund hundert Menschen, die sich spontan mit dem Somalier solidarisierten.
Mäurer kritisierte in einer Aktuellen Stunde in der Bürgerschaft die hohe Zahl an Kirchenasylen, die die evangelische Kirche im kleinsten Bundesland gewähre. Nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge seien es mehr als 200 Fälle seit Jahresbeginn. Das seien zehn Prozent der bundesweiten Kirchenasyle. “Das ist eindeutig zu viel.”
Kuschnerus wies auch Kritik zurück, die Kirche solle sich aus rechtsstaatlichen Angelegenheiten heraushalten: “Es geht nicht um Einmischung. Es geht im Sinne einer funktionierenden Demokratie und Rechtsstaatlichkeit um die Möglichkeit, im Sinne eines Appells mitzuwirken. Ich finde es großartig, dass unser Staat dies ermöglicht.”
Die Kirchen betrieben mit dem Kirchenasyl keine Migrationspolitik, so der Geistliche. “Vielmehr treffen die Kirchengemeinden auf Menschen in besonderen Notsituationen. Denen stehen sie bei, was eigentlich nur ein menschlicher Impuls ist.”
Aktuell tauchen Kunschnerus zufolge 60 bis 80 Mal pro Woche Menschen in Gemeinden der Bremischen Evangelischen Kirche auf und fragen nach Asyl. “Daran merkt man den Druck, der besteht.” Die Zahl von derzeit 19 akuten Fällen zeige, wie wenige Menschen am Ende ins Kirchenasyl kämen. Es werde sehr genau geprüft, wie groß überhaupt ihre Chance sei, ins deutsche Asylverfahren zu kommen.
Beim Kirchenasyl nehmen Kirchengemeinden oder Ordensgemeinschaften Asylbewerber auf, wenn ihrer Auffassung nach eine Abschiebung für den Geflüchteten eine Bedrohung für Leib und Leben darstellt. Es hat seine Grundlage in einer Vereinbarung zwischen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und den Kirchen. Demnach muss eine Kirchengemeinde die Gründe darlegen, warum sie im Einzelfall Kirchenasyl gewährt. Das Amt überprüft den Fall daraufhin noch einmal. In jüngster Zeit waren bundesweit mehrere Kirchenasyle von Behörden geräumt worden.