Artikel teilen

Braun: Reguläre Visa-Verfahren für Ortskräfte waren anfangs richtig

Der frühere Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) hat die damalige Entscheidung der Bundesregierung verteidigt, auch mit Blick auf den internationalen Truppenabzug aus Afghanistan im Jahr 2021 Ortskräfte über reguläre Visa-Verfahren nach Deutschland einreisen zu lassen. Es sei anfangs auch seine feste Überzeugung gewesen, dass es möglich sein müsse, reguläre Visa-Verfahren durchzuführen, sagte Braun am Donnerstag als Zeuge im Afghanistan-Untersuchungsausschuss des Bundestags.

Braun musste im Ausschuss die Frage beantworten, warum nicht frühzeitig beschleunigte Visa-Verfahren angewendet wurden. Er erläuterte, die Bundesregierung sei im Frühjahr 2021 in einem Dilemma gewesen. Sie habe sich dafür eingesetzt, dass der Friedensprozess im Land auch nach dem für den Sommer geplanten Abzug der Truppen weitergeht. Es sei deshalb als schwierig empfunden worden, Zeichen zu setzen, die als „Evakuierung“ oder „Verlust des Vertrauens in den Friedensprozess“ hätten verstanden werden können. Zudem hätten Entwicklungsorganisationen signalisiert, vor Ort bleiben zu wollen.

Braun zufolge hat sich die damalige Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer ab April dafür eingesetzt, die Ausreisemöglichkeiten für Ortskräfte der Bundeswehr auszuweiten. Dies sei von der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihm unterstützt worden. Im Juni habe es zudem die Bitte gegeben, Charterflüge zur Verfügung zu stellen und Ortskräfte beschleunigt ausreisen zu lassen. Auch dies sei vom Kanzleramt unterstützt worden, kam aber letztlich nicht zur Anwendung, weil noch Ende Juli die Zahle der ausreisewilligen Ortskräfte so gering gewesen sei, dass Linienflüge ausgereicht hätten, sagte Braun, der von 2018 bis 2021 Chef des Bundeskanzleramts war. Ihm oblag die Koordinierung der Ressorts der Bundesregierung.

Der Afghanistan-Untersuchungsausschuss soll die Umstände der militärischen Evakuierungsaktion aus Kabul im Jahr 2021 aufklären. Sie war nötig geworden, nachdem die radikalislamischen Taliban nach dem Abzug der internationalen Truppen überraschend schnell die Hauptstadt zurückerobert hatten.

Im Zentrum des Ausschusses steht auch die Frage, ob durch eine Fehleinschätzung der Sicherheitslage afghanische Mitarbeiter deutscher Organisationen gefährdet wurden und früher Vorbereitungen für deren Schutz oder Ausreise hätten getroffen werden müssen. Viele Ortskräfte von Bundeswehr, Polizei und Entwicklungsorganisationen mussten wegen des überstürzten Abzugs zurückbleiben. Am Donnerstagnachmittag wurde auch Altkanzlerin Merkel als Zeugin im Ausschuss erwartet.