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Brandenburg: Pride Weeks feiern Vielfalt

In den nächsten Wochen sind mehrere Christopher Street Days in Brandenburg geplant. Nach dem Überfall in Bad Freienwalde (Oder) fordern kirchliche Stimmen, sich davon nicht einschüchtern zu lassen.

In Potsdam gab es eine Fahrraddemo für mehr queere Sichtbarkeit
In Potsdam gab es eine Fahrraddemo für mehr queere SichtbarkeitIMAGO / Martin Müller

Die Veranstalter lassen sich nicht unter­kriegen. Der Überfall des ­Festes „Bad Freienwalde ist bunt“ Mitte Juni, durch den drei Menschen von ­vermutlich rechten Schlägern ­verletzt wurden, fand in der Aufbauphase des Festes statt. Gefeiert wurde danach trotzdem. Eine Trommelschule, ein Tanzklub, der Jugendclub des Theaters waren mit dabei. Auch die Stephanus-Werkstätten Bad Freienwalde waren vor Ort. Spontan kam Brandenburgs neuer Innenminister René Wilke (parteilos), nachdem er von der Gewalt ­gehört hatte. Anders Bürgermeister Ralf Lehmann (CDU) im RBB: Der hatte den Überfall als „Störung“ heruntergespielt.

„Als Bündnis ,Bad Freienwalde ist bunt’ verteidigen wir hier alles, wofür unsere Demokratie steht: Meinungs- und Versammlungs­freiheit, Menschenwürde und ­Menschenrechte“, schreiben die Veranstalter auf ihrer Webseite. Sie kritisieren die fehlende Polizei­präsenz. „Die Bedrohung durch gewaltbereite rechtsextreme Jugendliche muss ernst genommen ­werden. Es müssen Mittel zur Prävention, zum Monitoring der rechten Szene und zur effektiven Strafverfolgung bereitgestellt ­werden.“

Pfarrer Christian Moritz fordert Umdenken bei Flüchtlingspolitik

Die Kritik an der Polizei teilt auch Christian Moritz, der als ­Pfarrer für den Pfarrsprengel Alte Oder auch für Bad Freienwalde ­zuständig ist. Von der Bundesregierung fordert er, „mal ein anderes Nar­rativ zu Flüchtlingen zu erzählen. Wenn man dem Bundeskanzler zuhört, hat man den Eindruck, halb Syrien steht bei uns vor der Tür“. In einer Region mit 40 Prozent Wählerstimmen für die AfD falle so etwas auf fruchtbaren Boden. „Hier haben viele Leute ­Zukunftsängste, sie ­fühlen sich ­abgehängt.“

Seine Kirchengemeinde hätte dieses Jahr keine Kapazitäten gehabt, sich an dem Demokratiefest zu beteiligen, sagt der Pfarrer. ­Dennoch hätte sie von anderen ­Kirchengemeinden in Deutschland Solidaritätsbekundungen bekommen, was ihn freute. Die Demokratie sieht Moritz trotz 40 Prozent Wählerstimmen für die AfD nicht in Gefahr. „Die Menschen, die keine Diktatur wollen, sind immer noch die Mehrheit.“

Vom Südosten Brandenburgs in den Nordwesten: Alexander Stojanowic ist Pfarrer in Temnitz, also ­einer ländlich geprägten Region in der Nähe von Neuruppin. Auch hier haben rund 40 Prozent der Wähler die AfD gewählt. Stojanowic lebt ­offen homosexuell und hat damit in seiner Gemeinde keine Schwierigkeiten. Dem Segnungsgottesdienst im Rahmen der Pride Week in ­Neuruppin am 5. Juli und dem Christopher Street Day eine gute Woche später sieht er dennoch mit gemischten Gefühlen entgegen. „Ich freue mich auf beide Ereignisse. Aber ich sehe auch nach dem Überfall von Bad Freienwalde die Gefahrenquelle. Wir sind mit Polizei und Ordnungsamt im Gespräch.“

Pride Events gibt es im Sommer in Brandenburg in mehreren Kleinstädten wie Neuruppin, Wittenberge, Luckenwalde oder Bad Belzig. Und das zeigt: Hier gibt es queeres Leben. Es ist Normalität, nicht die exotische Ausnahme. In Bad Belzig wird der Gospelchor der Kirchen­gemeinde auf dem Christopher Street Day am 12. Juli auf­treten. Ängste seien in ­diesem Zusammenhang nicht an sie heran­getragen worden, sagt Pfarrerin Christiane Moldenhauer.

Aktionsbündnis Brandenburg informiert auf Veranstaltungen

Siegfried-Thomas Wisch, Superintendent im Kirchenkreis ­Mittelmark-Brandenburg, ist Vorsitzender des Aktionsbündnisses Brandenburg gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Rassismus. Seit über zehn Jahren sei sein Bündnis auf unterschiedlichen Veranstaltungen mit Infoständen mit Jugendlichen im Gespräch, sagt er. In diesem Jahr werde das auf den vielen queeren Veranstaltungen geschehen. „Wir dürfen uns nicht einschüchtern ­lassen. Wir haben die Erfahrung ­gemacht, wenn breite Bündnisse der Zivilgesellschaft gegen rechte Attacken dagegenhalten, dann ­hören die Angriffe auch auf. Dann haben die Rechten keine Lust mehr.“ Dazu bedürfe es aber ­Sprecher der Zivilgesellschaft in der Öffentlichkeit. Wisch lobt Brandenburgs neuen Innenminister René Wilke, weil der sofort nach Bad ­Freienwalde gefahren war, mit den Menschen sprach und sich öffentlich deutlich äußerte.