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“Bonhoeffer” läuft kurz vor dem 80. Todestag des Nazi-Gegners im Kino

Biografischer Film über den evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer (1906-1945), der als erbitterter Gegner der Nationalsozialisten kurz vor Kriegsende im KZ Flossenbürg ermordet wurde.

Dem Film “Bonhoeffer” von Todd Komarnicki eilt der Verdacht voraus, im Dienst der US-amerikanischen Rechten zu stehen, die den vor fast 80 Jahren – am 6. April 1945 – von den Nazis ermordeten evangelischen Theologen seit Längerem für ihre Zwecke missbrauchen. Gegen eine solche generelle Einvernahme durch nationalistische Demagogen muss man das biografische Werk allerdings in Schutz nehmen: Es braucht schon einen sehr verbohrten Geist, um Bonhoeffers Leben und Denken, wie es der Film mit breitem Pinselstrich entfaltet, für die MAGA-Ideologie (“Make America Great Again”) umzudeuten.

Komarnicki, der auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, geht es vielmehr um eine historisch-theologische Nachzeichnung des Lebens und Denkens von Bonhoeffer, an dessen bedingungslosem Kampf gegen die Nazis und ihr barbarisches Weltbild der Film keinen Zweifel lässt. Dass dies mit einfachen erzählerischen Mitteln und ohne besondere interpretatorische Finesse geschieht, diskreditiert keineswegs das Anliegen, Bonhoeffer als Widerstandskämpfer gegen den NS-Terror zu würdigen.

Der erbauliche Ton einer biografischen Heldengeschichte ist schon mit den ersten Bildern aus Bonhoeffers Kindheitstagen in Breslau gesetzt, in denen man einen aufgeweckten Blondschopf beim Spielen mit seinem Bruder Walter erlebt. Dessen Tod im Ersten Weltkrieg hinterlässt bei dem hochbegabten Jungen eine schmerzliche Wunde, die zeitlebens nie ganz vernarbt. Von seinem älteren Bruder hatte er auch eine Bibel mit vielen Kommentaren erhalten, die Bonhoeffer später auch durch die zwei Jahre in Haft ab April 1943 begleitete.

Vom Kerker des KZ Buchenwald aus, in den er als Mitverschwörer der Gruppe um den deutschen Admiral Canaris geworfen wird, springt der Film immer wieder zurück in glücklichere Tage, womit nach und nach das Leben des jungen Theologen erzählt wird, der sich bereits als 24-Jähriger habilitierte und danach ein Jahr an einem theologischen Seminar in New York war. In den schwarzen Kirchengemeinden von Harlem erfuhr er eine ganz andere Qualität von Glauben, machte aber auch erste schmerzhafte Erfahrungen mit Rassismus und weißer Supremacy.

Zurück in Deutschland bezog er schnell Position gegen die Nationalsozialisten und wurde durch mutige Predigten und intellektuelle Schärfe zum Kulminationspunkt im innerkirchlichen Ringen zwischen den Deutschen Christen und der Bekennenden Kirche. Zusammen mit Martin Niemöller rief er den Pfarrernotbund ins Leben und wirkte maßgeblich an der Barmer Theologischen Erklärung mit. Die Nazis reagierten darauf mit brutaler Härte. Auf Drängen seiner Freunde brachte sich Bonhoeffer deshalb zunächst in England in Sicherheit, kehrte 1935 aber nach Deutschland zurück und übernahm das Predigerseminar in Finkenwalde, das nach seinem Verbot geheim weitergeführt wurde. Ab 1938 engagierte sich Bonhoeffer im Widerstand, zunächst als Kontaktmann nach England und in die USA, ab 1940 auch als Doppelagent bei der deutschen Abwehr, worauf der irreführende englische Originaltitel “Bonhoeffer. Pastor. Spy. Assassin” anspielt.

Die Pistole auf dem US-amerikanischen Filmplakat lässt sich durchaus als bildhafte Verdichtung der heute nur noch schwer nachvollziehbaren Frage nach der Legitimität eines Tyrannenmordes deuten. Bonhoeffer bejahte diese nachdrücklich und unterstützte die Attentatsversuche gegen Hitler. Der Film aber interessiert sich für diese Frage nicht mal am Rande. Er fokussiert vielmehr ganz auf Bonhoeffers inneres Ringen mit seinem Glauben und seiner Theologie. In Harlem, so legt es Todd Komarnicki nahe, hatte Bonhoeffer erkannt, dass es auf die innerliche Ausrichtung und nicht auf religiöse Rituale oder die Institution der Kirche ankommt; hier blickt Bonhoeffer bei einem weiteren Aufenthalt in den 1940er-Jahren auch dem möglichen Ziel seiner Nachfolge ins Auge – dem Martyrium.

Das ist der innere Kulminationspunkt von “Bonhoeffer”: das Annehmen des eigenen Todes als letzte Konsequenz eines aus dem christlichen Glauben heraus motivierten Kampfes gegen die Unmenschlichkeit und Gottlosigkeit der Nationalsozialisten. Die Inszenierung verfügt allerdings nur über bescheidene visuelle und dramaturgische Mittel, um dies in Szene zu setzen. Abgesehen von historischen Ungenauigkeiten und befremdlichen Verkürzungen bleibt Komarnicki allzu oft an der pittoresken Oberfläche des historischen Stoffes hängen.

Auch die Besetzung Bonhoeffers mit Jonas Dassler trägt weder zu intellektueller noch zu spiritueller Vertiefung bei; die Physiognomie Dasslers erinnert zwar an die Statur von Bonhoeffer, doch seiner Darbietung gehen feinere Töne ab, wohl auch, weil es der Regie zumeist mehr um eine zeitgenössische Erinnerung geht als um eine nuancierte Deutung.

Unterm Strich erfährt man in “Bonhoeffer” deshalb eine ganze Menge über das tragische Schicksal und die Lebensumstände des evangelischen Kirchenmannes, auch wenn man zur genaueren Einordnung der mit Inserts, aber ohne Jahresangaben annoncierten Handlungsorte andere Quellen bemühen muss. Für das innere Feuer und Charisma des begnadeten Theologen, aber auch für seine existenziellen Kämpfe und Dunkelheiten fehlt der Inszenierung aber leider die Sensibilität.