Gerade mal 29 Jahre war er alt, als er auf die Halbinsel Fischland-Darß-Zingst kam, genauer gesagt auf den Zingsthof im heutigen Mecklenburg-Vorpommern: Dietrich Bonhoeffer, der heute weltbekannte Theologe, der im Dritten Reich zum Widerstandskämpfer wurde und am 9. April vor 80 Jahren von den Nationalsozialisten hingerichtet wurde.
Am Wochenende vom 12. bis 14. September 2025 will die Berliner Stadtmission, heute Träger des Zingsthofes, an ihn erinnern: eben auf dem Gelände dieses Rüstzeitheimes, in dem Bonhoeffer im April 1935 ein erstes Predigerseminar der regimekritischen Bekennenden Kirche übernahm; mit dem Ziel, 23 Theologie-Studenten auf ihren Dienst als Pfarrer in Deutschland vorzubereiten. Illegal, aber von den Nazis noch toleriert. Titel des Wochenendes, das Bonhoeffer als Mystiker und Märtyrer in den Fokus rücken soll: „Bonhoeffer: Damals – hier und jetzt“.
Bonhoeffer gründete auf dem Zingsthof die erste evangelische Bruderschaft
Als 1935 die Anfrage zum Zingster Kurs kam, hatte Bonhoeffer eigentlich ganz andere Pläne, weiß der Leipziger Theologieprofessor Peter Zimmerling, der an dem Zingster Wochenende zwei Vorträge über Bonhoeffer als Mystiker und Widerstandskämpfer halten will: „Er war noch in London Auslandspastor und wollte zu Mahatma Ghandi nach Indien, hatte sogar schon eine offizielle Einladung.“ Bonhoeffers Familie, eng vernetzt mit führenden Persönlichkeiten aus Staat, Militär und Kirche, hatte schon 1933 vorausgesehen, dass Hitlers Machtergreifung Krieg bedeuten würde, sagt Zimmerling. Darum habe Bonhoeffer seiner Heimat früh den Rücken gekehrt.
Doch dann: Vorpommern statt Indien. Im Zingster Rüstzeitheim, das heute noch kirchlichen Gruppen, aber als „martas Gästehäuser Zingsthof“ auch einzelnen Urlaubern Unterkunft bietet, quartiert sich Bonhoeffer mit seinen 23 Studenten ein. Er hält Seminare in Predigtlehre, Seelsorge, Gemeindeaufbau und Katechetik, diskutiert mit den jungen Männern über brisante Themen wie Kriegsdienstverweigerung, erholt sich mit ihnen am Strand in der unberührten Boddenlandschaft – und: gestaltet die Tage dieser Gemeinschaft ähnlich wie in einem Mönchsorden. „Er war vorher in verschiedenen anglikanischen Klöstern gewesen und hat von dort einiges übernommen: Tagzeitengebete, ein regelmäßiges Abendmahl und die Einzelbeichte“, erklärt Zimmerling.
Bonhoeffer war überzeugt: Angehende Pfarrer müssen vor allem beten lernen
Bonhoeffer war überzeugt, dass die angehenden Pfarrer vor allem eins lernen müssten: beten und geistlich die Bibel lesen. Im Grunde sei er damit Luthers Spiritualität gefolgt und habe die erste evangelische Bruderschaft überhaupt gegründet, sagt Zimmerling. Später schrieb Bonhoeffer an seine Studenten: „Der Sommer 1935 ist für mich … die beruflich und menschlich ausgefüllteste Zeit bisher gewesen.“
In seinen Vorträgen beim Gedenkwochenende will Peter Zimmerling zeigen, dass auch Bonhoeffers politisches Engagement nicht ohne seine Spiritualität zu verstehen ist. „Ich interpretiere ihn als einen Theologen, der von der Mystik geprägt ist“, sagt Zimmerling. Und eben diese Prägung habe Bonhoeffer motiviert, sich für die Juden und andere Opfer staatlichen Unrechts einzusetzen. „Beides ist nicht voneinander zu trennen.“

Dass Bonhoeffer mit seinen Studenten nur bis zum 24. Juni 1935 auf dem Zingsthof blieb, hatte praktische Gründe, weiß Zimmerling: Die Mädchenbibelkreise brauchten die Anlage für eigene Rüstzeiten. Bonhoeffer zog mit seiner Gruppe weiter nach Finkenwalde bei Stettin, wo das Predigerseminar noch bis 1937 lief, bevor es von den Nazis geschlossen wurde.
Ein Gedenkpfad, ein Theaterstück und Vorträge erinnern an Bonhoeffer
Ein neuer Gedenkpfad auf dem Zingsthof soll am Bonhoeffer-Wochenende eröffnet werden und mit Informationstafeln an die historische Bedeutung des Ortes erinnern. Außerdem will das Ensemble „Duett zu dritt“ in der Peter-Pauls-Kirche in Zingst ein musikalisches Schauspiel aufführen, das die Liebesgeschichte von Dietrich Bonhoeffer und Maria von Wedemeyer erzählt. Kurz vor seiner Verhaftung 1943 hatte sich Bonhoeffer mit der 18 Jahre jüngeren Maria verlobt, die später in den USA Mathematik studierte und in der IT-Branche Karriere machte. Aus der Zeit ihrer Verlobung sind Briefe erhalten, die als „Brautbriefe Zelle 92“ veröffentlicht wurden. Interessierte können dieses Schauspiel, die Vorträge und einen Gedenkgottesdienst am Sonntag einzeln besuchen – oder gleich das ganze Wochenende buchen, um sich inmitten schöner Natur vom bonhoefferschen Geist inspirieren zu lassen.
Preis pro Person: 260 Euro für das Wochenende mit zwei Übernachtungen in den martas Gästehäusern Zingsthof, Vollverpflegung, zwei Vorträgen, dem Schauspiel in der Kirche und einem Gottesdienst in der Bonhoeffer-Kapelle. Buchung unter 038232/81 40, 0171/ 357 44 48 oder hier.
