Das katholische Bistum Hildesheim hat mit Unverständnis auf Vorwürfe der AfD reagiert, wonach der Hildesheimer Imam Sinan Öztürk die Teilnehmer der diesjährigen Abschlussfeier der katholischen Bonifatiusschule II in Göttingen „indoktriniert“ haben soll. „Der Schule liegen keine Beschwerden von Eltern an dem rund vierminütigen Beitrag des Imams während der Andacht vor“, sagte Bistumssprecher Thomas Pohlmann am Donnerstag auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd). Das Bistum ist Träger der Schule, die einen Anteil an muslimischen Schülern von rund 17 Prozent hat und als einzige des Bistums auch islamischen Religionsunterricht anbietet.
Über die Abschlussfeier am 26. Juni in einer Göttinger katholischen Kirche hatte zunächst das von dem früheren „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt gegründete Portal NIUS berichtet. In dem Text war Öztürk „enger Kontakt zur Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs“ unterstellt worden. Diese werde vom Verfassungsschutz als islamistische Bewegung eingestuft und solle Verbindungen zu anderen radikal islamistischen und salafistischen Bewegungen haben.
Der Vorsitzende des AfD Kreisverbandes Göttingen, Justin Vogel, zeigte sich daraufhin in einer Mitteilung „erschüttert über soviel Nähe zu demokratiefeindlichen Extremisten“. „Wenn selbst auf einer katholischen Schule die Kinder nicht mehr sicher sind vor islamistischer Indoktrination, dann ist unsere Jugend wahrlich in großer Gefahr“, schrieb er. Gleichzeitig kündigte Vogel an, bei der Stadt Göttingen Beschwerde nach dem Kommunalverfassungsgesetz einzulegen.
Bistumssprecher Pohlmann sagte, Öztürk habe bei der Abschlussfeier Verse aus dem Koran zitiert, zunächst auf Arabisch, dann in deutscher Übersetzung. Dann habe er sich kurz in deutscher Sprache an die Schülerinnen und Schüler gewandt und ihnen alles Gute für die Zukunft gewünscht. „Zu keinem Zeitpunkt äußerte er sich zu Themen, die dem Bildungsauftrag der Schule, dem Leitbild der Schulen in Trägerschaft des Bistums Hildesheim oder dem Leitfaden für Antidiskriminierung widersprechen.“ Insgesamt dauerte die schulische Abschlussfeier nach Bistumsangaben rund 180 Minuten.
„Herr Öztürk ist im interreligiösen Dialog, unter anderem bei ‘Abrahams Runder Tisch in Hildesheim’, engagiert“, fügte Pohlmann hinzu. Diese Initiative wurde 2024 mit dem Friedenspreis der Stadt Hildesheim ausgezeichnet. Der Kontakt zu Öztürk sei durch die islamische Religionslehrerin der Schule hergestellt worden, die in einem verwandtschaftlichen Verhältnis zu Herrn Öztürk steht.
Öztürk selbst sagte dem „Göttinger Tageblatt“, er setze sich für den „interreligiösen Dialog, für Verständigung und die Stärkung junger Menschen in unserer vielfältigen Gesellschaft“ ein. Es betrübe ihn, dass seine Teilnahme „verzerrt und in einen extremistischen Kontext gestellt wird“. Gleichzeitig bestärke ihn dies, den Weg des Dialogs entschlossen weiterzugehen.”
Die muslimische Hildesheimer Ayasofya-Gemeinde von Öztürk gehört nach eigenen Angaben zwar formal zu Milli Görüs. Die Gemeinde sei in Hildesheim aktiv ins Stadtleben eingebunden und kooperiere mit kirchlichen Einrichtungen sowie mit der Beratungsstelle Radius gegen Radikalisierung. Milli Görüs wird seit 2014 nicht mehr durch den Niedersächsischen Verfassungsschutz beobachtet.