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Bischof Markus Dröge über den Kirchentag

Von Bischof Markus Dröge

Im Juni 1989 war ich zum ersten Mal in Berlin auf einem Kirchentag. „Unsere Zeit in Gottes Händen“ lautete das Motto. Eindrucksvoll für mich der Besuch in Ost-Berlin. Übergang Friedrichstraße. Als wir auf den Treppen standen, in der Schlange vor den Grenzkontrollen, haben wir die Kirchentagslieder gesungen, nicht ahnend, dass wenige Monate später die Mauer fallen würde. 2003 dann mein zweiter Berliner Kirchentag, im wiedervereinigten Berlin. Gemeinsam mit unseren katholischen Glaubensgeschwistern feierten wir den ersten Ökumenischen Kirchentag. Die Losung war „Ihr sollt ein Segen sein“. Die Berliner machten sich über den Segenskreis am Brandenburger Tor lustig und nannten ihn „Fleischwurst“. In der Waldbühne bekam der Dalai Lama Standing Ovations. Interkonfessionell und multireligiös, gepaart mit dem typischen Berliner Humor, das prägte diesen Kirchentag. Gewohnt habe ich mit meiner Gemeindegruppe in einer Schule, mit Isomatte und Schlafsack.Ich bin dankbar, jetzt zum dritten Mal einen Kirchentag in Berlin erleben zu können. Und nicht nur das. Es ist ein außergewöhnlicher Kirchentag. Wir feiern auch in Potsdam und dann in Wittenberg den großen Festgottesdienst. Diesmal rolle ich die Isomatte auf der Elbwiese aus, damit ich am Sonntagmorgen kurz nach fünf Uhr den Sonnenaufgang miterleben kann, vor der Silhouette der Lutherstadt. Das erlebt man nur alle 500 Jahre!In den aufregenden Tagen, die vor uns liegen, sind wir – „gemeinsam EKBO“ – die Gastgeberinnen und Gastgeber. Viele Tausende werden zu Hause näher zusammenrücken, um Platz für die Besucherinnen und Besucher zu schaffen. Am Abend der Begegnung werden wir die Gäste freundlich in der Berliner Innenstadt bewirten. Kirchengemeinden haben Gemeindeprojekte vorbereitet. Wir sind stark beim Kirchentages beteiligt: Kulturprogramm, „Zentrum Berlin.Zukunft.Kirche“ an der Marienkirche und viel mehr. Für mich ist es etwas ganz Besonderes, beim Eröffnungsgottesdienst vor dem Reichstag predigen zu können. Eine wahrhaft historische Kulisse. 1933 hat er gebrannt. Damals war mein Großvater Reichstagsabgeordneter. Im Ausweichgebäude, der Kroll-Oper, die es heute nicht mehr gibt, war er bei denen, die gegen Hitlers Ermächtigungsgesetz stimmten. Dass es heute in unserem Land ein neues rechtspopulistisches Denken gibt, ist unverständlich und beschämend. Wieder lassen sich sogar Christenmenschen zu völkischen Ideologien verführen.„Du siehst mich!“ Unter diesem Motto feiern wir 2017 den Kirchentag in Berlin. Aufmerksam wahrnehmen, den Menschen neben mir, die Herausforderungen unserer Gesellschaft, die Worte der Bibel – darum wird es gehen. Vor allem aber werden wir miteinander neu spüren, dass Gott uns ansieht, mit einem liebevoll ermutigenden Blick. Denn er ist der „Gott, der mich sieht“ (1. Mose 16,13). So hat es die Flüchtlingsfrau Hagar bekannt. Und so bekennen auch wir.