Artikel teilen:

Bischof Feige zum Volkstrauertag: Nächstenliebe wird Unwort

Gedenken mit klarer Botschaft: Das Erinnern am Volkstrauertag hat laut dem Magdeburger Bischof einen wichtigen Auftrag für die Gegenwart. Bei einer Gedenkstunde im Landtag warnte er vor zunehmender Fremdenfeindlichkeit.

Der Volkstrauertag ist laut dem Magdeburger Bischof Gerhard Feige Mahnung und Auftrag zur Wachsamkeit. “Überall beobachten wir auch heute mit Sorge, dass Ängste geschürt und Sündenböcke gesucht werden, Vorurteile und Abgrenzungen zunehmen, Eigeninteressen höher rangieren als der Sinn für Solidarität”, sagte der katholische Geistliche am Sonntag bei einer Gedenkstunde im Landtag von Sachsen-Anhalt in Magdeburg. “Nächstenliebe wird zum Unwort, und Fremdenfeindlichkeit gesellschaftsfähig.”

“Ideologien gewinnen wieder an Einfluss, die auf Selektion setzen, den Stärkeren verherrlichen und all diejenigen abwerten, die ‘anders’ oder scheinbar ‘nutzlos’ sind”, führte Feige aus. “Mehr denn je brauchen wir da noch konsequentere politische Bemühungen und eine mutige Zivilgesellschaft.” Alle sollten noch entschlossener für die Würde eines jeden Menschen eintreten, für Freiheit und Demokratie, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit, Frieden und Toleranz.

Feige rief zur aktiven Beschäftigung mit der Geschichte auf. Sich dabei der erfreulichen wie belastenden Erfahrungen früherer Generationen zu erinnern, sei bedeutend für die Gestaltung von Gegenwart und Zukunft. “Die Erinnerung gehört zu unserem Leben und stiftet Identität. Das gilt für jeden und jede ganz persönlich wie auch für unser gemeinsames Miteinander. Eine Gesellschaft, die ihre Vergangenheit vergisst, verfälscht oder überbetont, wird krank, immer leichter manipulierbar und letztlich unfähig, sich zukunftsträchtig zu erneuern.”

Im Nationalsozialismus sei der Volkstrauertag, so Feige, als Heldengedenktag zur Verklärung des Krieges eingesetzt worden. Die DDR habe den Internationalen Gedenktag für die Opfer des faschistischen Terrors dazu missbraucht, sich von der Vergangenheit abzusetzen, die Opfer der kommunistischen Herrschaft aber gezielt auszublenden. Auch heute versuchten manche Gruppierungen, das Gedenken und die Erinnerung an die Opfer der Kriege ideologisch zu vereinnahmen. “Hier gilt es, die Stimme zu erheben und solchen Bestrebungen eine aufgeklärte Erinnerung entgegenzustellen, die um die Ambivalenzen der Welt und die historischen Begebenheiten weiß”, mahnte der Bischof.