Für die Direktorin der Bildungsstätte Anne Frank, Deborah Schnabel, sind digitale Medien und Videospiele einerseits eine große Chance für Bildungs- und Erinnerungsarbeit. Andererseits seien sie aber auch Schauplatz von Ausschlüssen, Antisemitimus oder Rassismus, erklärte sie am Donnerstag beim Gamescom Congress in Köln. „Je größer auch die Gaming-Kultur wird, umso mehr müssen wir hinschauen.“ Denn die Branche sei letztendlich ein Spiegel der Gesellschaft.
Es gebe sehr viele unterschiedliche Einsatzzwecke für Games, betonte Schnabel. Mit dem Mobile Game „Hidden Codes“ betreibe ihre Bildungsstätte beispielsweise Prävention von Radikalisierung im Netz. Neben den Schülerinnen und Schülern würden auch Lehrkräfte und Eltern mit geschult.
Gerade für junge Generationen seien die Bereiche Information und Entertainment nicht getrennt, betonte Schnabel. Erst schaue man sich bei TikTok etwas Informatives an und direkt danach ein Tanzvideo. Die Realität von jungen Menschen müsse dementsprechend in der Bildungsarbeit aufgegriffen werden.
Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, Olaf Zimmermann, unterstrich, dass Gaming „ein ganz normaler Kulturbereich“ sei. Video- und Computerspiele seien ein massenkulturelles Format, welches sehr viele Menschen erreiche. Was dort passiere, sei ebenso bedeutsam für die gesellschaftliche Wirklichkeit wie Theater, Literatur und Bildende Kunst.
Eine wesentliche Frage für Gedenk- und Bildungsstätten sei zurzeit, wie man Inhalte präsentiere. Manche hätten Games bereits eingesetzt und seien begeistert, andere wollten es ausprobieren und wiederum andere fürchteten eine Trivialisierung – dass Kinder und Jugendliche ohne pädagogischen Input vom Spiel mitgerissen würden.
Für den Kulturwissenschaftler Christian Huberts gehören Spiele- und Erinnerungskultur zusammen. Jedes Game sei geeignet, um zu erinnern, aber es komme auf den Nutzungskontext an, sagte der Projektleiter der Stiftung Digitale Spielekultur. Huberts ist verantwortlich für das Projekt „Let’s Remember“, für das er mit Gedenkorten im ganzen Bundesgebiet zum Thema Games etwa in Workshops gearbeitet hat.
Ein Spiel müsse nicht unbedingt einen Bildungsvermittlungszweck haben, erläuterte der Kulturwissenschaftler. Selbst wenn ein Game Erinnerungskultur verzerre, könnte dies zu einer Auseinandersetzung genau darüber führen.
Games an Gedenkorten auszustellen sei allerdings weniger sinnvoll, erläuterte er. Es sei besser, wenn die Menschen sich den Ort anschauten und nicht auf den Bildschirm. Games könnten besser zur Vorbereitung Zuhause oder in der Schule dienen. Das Spiel könne beispielsweise auch darauf hinweisen, dass man sich den jeweiligen Ort anschauen könne.
Am meisten springe der Funke über, wenn Menschen selbst Games entwickelten, betonte der Projektleiter und verwies auf eine Erfahrung in der Arbeit mit der Gedenkstätte Hadamar in Hessen. Schülerinnen und Schüler hätten sich dann beispielsweise damit auseinandersetzen müssen, welche Entscheidungsmöglichkeiten historische Akteure hatten und wie man mit der Verantwortungsfrage umgehe.
Der Gamescom Congress findet parallel zur Computer- und Videospielmesse Gamescom statt. In über 60 Programmpunkten geht es unter anderem um die Bedeutung von Videospielen für die Demokratie und die Rolle von Künstlicher Intelligenz (KI).