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BGH bestätigt Urteil gegen ehemalige KZ-Sekretärin

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Verurteilung einer ehemaligen Sekretärin des NS-Konzentrationslagers Stutthof bei Danzig bestätigt. Die Entscheidung des Landgerichts Itzehoe von 2022 habe Bestand, sagte die Vorsitzende Richterin des fünften BGH-Strafsenats, Gabriele Cirener, bei der Verkündung der Entscheidung am Dienstag in Leipzig. Die Verurteilung der heute 99-jährigen Irmgard F. wegen Beihilfe zum Mord in 10.505 Fällen und zur versuchten Beihilfe zum Mord in fünf Fällen ist damit rechtskräftig. (AZ: 5 StR 326/23)

Das Landgericht hatte eine auf Bewährung ausgesetzte Jugendstrafe von zwei Jahren verhängt. Weil sie zur Tatzeit 18 und 19 Jahre alt war, wurde Irmgard F. nach Jugendstrafrecht verurteilt. Ihre Revision gegen das Urteil wurde nun vom BGH verworfen.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, begrüßte das Urteil. Die ehemalige KZ-Sekretärin sei „eine bewusste Gehilfin der nationalsozialistischen Mordmaschinerie“ gewesen und verantwortlich für die Ermordung tausender Menschen, betonte er: „Für Schoah-Überlebende ist es enorm wichtig, dass eine späte Form der Gerechtigkeit versucht wird.“

Schuster sagte, er vermisse ein Schuldeingeständnis. Dennoch habe das Rechtssystem eine klare Botschaft gesendet. Auch fast 80 Jahre nach der Schoah dürfe kein Schlussstrich unter die NS-Verbrechen gezogen werden. Mord verjähre nicht, weder juristisch noch moralisch.

Der Geschäftsführer des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, erklärte, für Überlebende der deutschen Konzentrations- und Vernichtungslager sei die Gerichtsentscheidung von großer Bedeutung. Erinnerungen, Beobachtungen und Aussagen von Zeitzeugen hätten zur Wahrheitsfindung beigetragen und seien in die Urteilsfindung eingegangen. Angesichts der wenigen Täter, die überhaupt in Deutschland vor Gericht gestanden hätten, komme dem Urteil eine besondere Bedeutung zu.

Irmgard F. arbeitete laut BGH von 1943 bis 1945 im KZ Stutthof als einzige Stenotypistin im Büro des Lagerkommandanten Paul Werner Hoppe (1919-1974). Sie habe dort den gesamten Schriftverkehr organisiert, vertrauensvoll mit der Lagerleitung zusammengearbeitet und diese physisch und psychisch unterstützt. Sie habe zum inneren Kreis gehört und aus Solidarität mit den Haupttätern gehandelt.

Der BGH betonte, dass Irmgard F. mehr als zwei Jahre lang nichts von den Morden und den Zuständen im Lager wahrgenommen habe, sei auszuschließen. Zur Frage, ob eine Frau in so hohem Alter noch verurteilt werden sollte, sagte die Richterin: „Das Gesetz gibt eine klare Antwort: Mord verjährt nicht.“ Dies gelte auch für Beihilfe zum Mord.

Im KZ Stutthof starben mehr als 60.000 Menschen. Das Lager war integraler Bestandteil der Vernichtung der europäischen Juden. Während der Zeit von Irmgard F. als Sekretärin sind in Stutthof laut BGH mindestens 9.000 Menschen ums Leben gekommen. Die 99-Jährige erschien am Dienstag nicht zur Verkündung der Entscheidung des BGH. Im Prozess in Itzehoe hatte sie gesagt, ihr tue leid, was geschehen ist. Sie bereue, dass sie damals in Stutthof war.

Nach Angaben des Leiters der Zentralen Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg, Oberstaatsanwalt Thomas Will, sind derzeit noch drei Verfahren gegen mutmaßliche NS-Täter anhängig. Die Beschuldigten seien zwischen 99 und 101 Jahren alt, ihre Verhandlungsfähigkeit stehe infrage, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd).