In der Kleiderkammer der Berliner Stadtmission versorgen wir täglich bis zu 180 Menschen mit gebrauchten, sauberen Unterhosen, Socken und Turnschuhen. Heute teilen wir noch etwas anderes – Nahrung für die Seele. In der Lehrter Straße direkt vor der Kleiderkammer
steht ein Stuhlkreis, auch ich nehme Platz. Ein liebevoll dekoriertes Buffet mit belegten Brötchen, frischem Obst und Gemüse, mit warmen und kalten Getränken steht bereit. Für die nächsten 15 Minuten werde ich hier eine ganz besondere Andacht besuchen.
Die Kleiderkammer wird heute zum Freiluft-Kirchraum. Die Andacht heißt „Duscha Moya“, im Slawischen bedeutet das „Meine Seele“. 15 Minuten soll es den Gästen unserer Kleiderkammer an Leib und Seele gut oder wenigstens ein bisschen besser gehen.
Polnische, russische und rumänische Gäste in der Kleiderkammer
Es gibt Essen und Katharina Schridde hält eine kurze Andacht. Die Stadtmissionarin ist für die Gäste der Kleiderkammer als Seelsorgerin tätig. Ihre Kollegin Anna Gindina leitet die Kleiderkammer und dolmetscht die Worte ins Russische, unsere polnischen, russischen und rumänischen Gäste helfen sich gegenseitig beim Verstehen. Anschließend verweilen viele von ihnen, unterhalten sich und essen, bis das Buffet leer ist.
Hier erlebe ich Kirche, die mich berührt. Diese Momente sind der Grund, warum ich so gerne bei der Stadtmission arbeite. Denn ich darf Nachfolge lernen, bin Auszubildender im großen Lehrbetrieb Gottes, weil wir in der Begegnung einander die frohe Botschaft bringen. Das ist Evangelium pur. Denn in diesen 15 Minuten treffen Welten aufeinander: Menschen mit und ohne festen Wohnsitz begegnen sich. Ich bin mir sicher, Gott ist da und spricht Menschen an. Hier passiert etwas Heiliges mitten in der harten Realität der Großstadt. Natürlich ist das nicht immer konfliktfrei und es ist auch nicht immer schön.
Aber sicher ist: Das ist für mich Kirche. All das: Unsere Hotels, der Abenteuerspielplatz, das Familienzentrum, die Kleiderkammer, die Schuldnerberatung und auch unser Sommerfest am kommenden Sonntag. Ja, es ist anders, als das, was gemeinhin unter Kirche verstanden wird: beständige Gemeindeformen, Sakramente, Gebäude mit teils langer Geschichte, in denen wunderschöne Gottesdienste stattfinden. Diese überraschenden Formen von Kirche mittendrin sind eine wichtige Ergänzung. Sie machen den christlichen Glauben relevant im Alltag von Menschen, die keinen Bezug zur Kirche haben.
Dass Gott bereits mit diesen Menschen, in all den Hinterhöfen, Bürotürmen und Klassenzimmern unserer Stadt unterwegs ist, daran glaube ich fest, und ich möchte mit ihm unterwegs sein und von ihm lernen. Ich möchte einer der vielen Azubis Gottes in dieser Welt sein.
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Und da bin ich nicht alleine, die Berliner Stadtmission lebt genau das schon seit knapp 150 Jahren. Deshalb fühle ich mich in der Berliner Stadtmission auch richtig: Wir wollen Formen zeitgemäßer Kirche entwickeln und leben. Für uns stehen fünf Faktoren im Fokus.
Wir wollen unseren Nachbarschaften dienen, mit unseren Gästehäusern ebenso wie mit unseren Gemeinden: So verwandelt das Kiezprojekt „Lux“ der Jungen Kirche Berlin Lichtenberg einmal im Monat den Gottesdienstsaal in einen Game Room und veranstaltet dort ein Pubquiz mit bis zu 80 jungen und älteren Menschen. Wir laden ein, christliche Lebensformen auszuprobieren, wie in der Duscha Moya oder den Ferienfreizeiten für Kinder und Jugendliche.
Gastfreundschaft zählt bei der Berliner Stadtmission
Gastfreundschaft spielt dabei eine große Rolle, denn sie ist eines der Kennzeichen des Wirkens Jesu. Wer auf der Suche ist, soll bei uns Zugänge zum christlichen Glauben finden, die Mitarbeitenden ebenso wie die Geflüchteten in unseren Sprachcafés. Unser „Aktionsraum Bibel“ ermöglicht einen eigenen kreativen und wertfreien Zugang zu biblischen Geschichten mit Knete, Stiften oder Stop-Motion-Filmen. Und schließlich braucht eine lebendige Kirche immer lebendige Gemeinschaft, die möglichst allen vermittelt: Hier ist Platz für Euch.
Am kommenden Sonntag feiern wir bei der Berliner Stadtmission Sommerfest. 10000 Einladungen haben wir in der Nachbarschaft verteilt und viele persönlich angesprochen. Wir freuen uns schon auf die vielen Gäste, die mitfeiern. Kommen Sie doch auch vorbei und lassen Sie uns gemeinsam entdecken, wie wir zusammen Kirche sein können. Ich bin mir sicher, dass Gott noch viel vorhat mit seiner Kirche in dieser Stadt. Und mit uns, seinen Azubis.
Die Berliner Stadtmission lädt am 13. Juli von 11 bis 18 Uhr zum großen Sommerfest auf das Gelände des Zentrums am Hauptbahnhof in der Lehrter Straße 68 ein. Los geht es um 11 Uhr mit einem Gottesdienst auf der Festwiese, es predigt Stadtmissionsdirektor Christian Ceconi rund um das Thema „Seid barmherzig miteinander!“ Auf zahlreichen Ständen werden sich die 90 Projekte der Stadtmission präsentieren. Für Spiel und Spaß für Kinder ist gesorgt – mit Riesenseifenblasen, Kinderschminken und Hüpfburg. Es gibt Musik: Die iranischen Stadtmissionsgemeinde präsentiert iranische Tänze und die „Heavy Brass Band“ des Polizeiorchesters Swing und Jazz. Auch für das leibliche Wohl ist gesorgt. Weitere Informationen unter: www.berliner-stadtmission.de
