Gewalt gegen Frauen ist in Deutschland alltäglich – dennoch wird sie nicht ausreichend bekämpft. Das Deutsche Institut für Menschenrechte stellte in Berlin den „Monitor Gewalt gegen Frauen“ vor, den ersten umfassenden Bericht zu dem Thema. Auf Basis aller verfügbaren Daten und Erkenntnisse über das Ausmaß der Gewalt und die Gegenmaßnahmen liefert er Handlungsempfehlungen an Bund, Länder, Verwaltungen und Zivilgesellschaft. Die Direktorin des Menschenrechtsinstituts, Beate Rudolf, sprach von einem „Arbeitsprogramm“ für die nächste Bundesregierung. Geschlechtsspezifische Gewalt sei „eine schwere Menschenrechtsverletzung“.
Rudolf bedauerte, dass die Ampel-Koalition in ihrer Regierungszeit nicht weiter gekommen sei und beispielsweise das Gewalthilfegesetz nicht rechtzeitig auf den Weg gebracht habe. Der Entwurf wurde erst nach dem Koalitionsbruch im Kabinett beschlossen und wird voraussichtlich nicht mehr im Bundestag verabschiedet werden. Das Gesetz sollte die Finanzierung von mehr Frauenhausplätzen sicherstellen.
Monitor: Täglich werden 728 Frauen und Mädchen Opfer körperlicher Gewalt
Täglich werden dem Monitor zufolge durchschnittlich 728 Frauen und Mädchen Opfer körperlicher Gewalt, knapp 400 von psychischer Gewalt und mehr als 400 von geschlechtsspezifischer digitaler Gewalt. Die Zahlen, die unter anderem aus dem Lagebild des Bundeskriminalamts zu geschlechtsspezifischer Gewalt hervorgehen, geben die registrierten Taten wieder. Über das Dunkelfeld gibt es nur Schätzungen.
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Der Monitor zeichne ein alarmierendes Bild, sagte die Leiterin der Berichterstattungsstelle geschlechtsspezifische Gewalt beim Menschenrechtsinstitut, Müserref Tanriverdi. Trotz des erschreckenden Ausmaßes, zunehmend auch im Netz, werde die Gewalt gegen Frauen und Mädchen immer noch verharmlost. Wenn ein Mann seine Frau töte, weil sie sich trennen wolle, sei das Mord und kein Familiendrama, betonte Tanriverdi. Auf die Gewalt im digitalen Raum hätten Polizei, Justiz und Gesetzgeber bisher kaum Antworten.
Für Istanbul-Konvention „erhebliche finanzielle Investitionen“ nötig
Um die staatlichen Verpflichtungen aus der Istanbul-Konvention zu erfüllen – dem Abkommen des Europarats zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt – seien „erhebliche finanzielle Investitionen“, ein möglichst einheitliches Vorgehen von Bund und Ländern und der politische Wille erforderlich, das Gewaltproblem „mit der gebotenen Priorität anzugehen“, heißt es in dem Bericht.
Dem Bericht zufolge tun die Bundesländer zwar einiges, aber nicht genug zur Vorbeugung gegen geschlechtsspezifische Gewalt. Fortbildungen für Polizei und Justiz müssten verbindlich werden, fordert der Monitor. Heute sind sie, bis auf Ausnahmen, immer noch freiwillig. Die Arbeit mit Tätern sei überall unterfinanziert. Es brauche mehr Aufklärungskampagnen zur Überwindung von alten Rollenbildern, um weitere Gewalt zu verhindern, heißt es in dem Bericht.
Fehlende Beratungs- und Hilfsangebote für Betroffene
Besonders gravierend sind aus Sicht des Menschenrechtsinstituts fehlende Beratungs- und Hilfsangebote für Betroffene. Bei den Schutzunterkünften erreicht kein Bundesland die Vorgaben der Istanbul-Konvention. 2022 mussten 15.000 schutzsuchende Frauen abgewiesen werden, obwohl von 2020 bis 2022 die durchschnittliche Förderung von Frauenhäusern leicht gestiegen ist.
Deutschland hat sich 2018 verpflichtet, die Istanbul-Konvention umzusetzen. Mit der Berichtspflicht hat die Regierung das Menschenrechtsinstitut beauftragt. Der Berichtszeitraum erstreckt sich auf die Jahre 2020 bis 2022.