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Berater: Junge Rechtsextreme hassen insbesondere Homosexuelle

Berater nehmen bei jungen Menschen einen starken Anstieg von Rechtsextremismus wahr. Sie radikalisierten sich innerhalb von wenigen Wochen – und würden immer jünger. Der Hass richte sich vor allem gegen Homosexuelle.

Rechtsextreme Gruppierungen werden laut Beratern immer attraktiver für junge Menschen. Demnach gibt es nicht nur in Deutschland, sondern weltweit ein hohes und immer weiter steigendes Fallaufkommen, erklärte die Berliner Beratungsstelle “Violence Prevention Network” (VPN) am Dienstag. Während es vor zehn Jahren durchschnittlich neun Monate bis zur Radikalisierung gedauert habe, geschehe dies nun innerhalb von wenigen Wochen. Zudem würden die Betroffenen immer jünger.

Anders als noch in den 1990er Jahren “sehen diese jungen Rechtsextremen sich nicht als Outlaws, sondern als Teil des Mainstreams”, sagte Peter Anhalt, Co-Leiter des Fachbereichs Rechtsextremismus. “Schwarzweiß-Antworten zu bekommen, hat große Attraktivität.” Zudem trete die Hassgewalt vor dem Hintergrund einer Gesellschaft auf, “in der Hass wieder mehr Raum bekommt.” Das Verhalten der Jugendlichen spiegele die Krise der Gesellschaft wider.

Vor allem Homosexuelle seien Ziel des rechtsextremen Hasses von jungen Menschen, sagte Co-Leiterin Elisabeth Hell mit Blick auf die Fälle in der Berliner Beratungsstelle. Sie nehme “eine große Trans- und Homofeindlichkeit” wahr; hinzu kämen rassistische Motive und eine “Mystifizierung des Deutschseins”. Antisemitismus sei ihrer Erfahrung nach eher bei erwachsenen Klienten vertreten.

Als mögliche Ursachen sehen die Berater, dass die jungen Menschen in einer Zeit von Krisen aufwüchsen. Zudem seien über Social Media rechtsextreme Inhalte leichter verfügbar und präsenter. Junge Menschen suchten im Rechtsextremismus eine Lösung ihrer Probleme; dabei handele es sich auch um Kinder von demokratisch orientierten Familien. “Die Eltern müssen zusehen, wie sich ihre Kinder innerhalb von wenigen Wochen radikalisieren”, so Hell.

Meist befänden sich die jungen Menschen in multiplen Problemlagen; sie blieben der Schule fern, verübten Delikte und nähmen Drogen. Sie Menschen hätten eine Bedürfnis nach “Zugehörigkeit, Sinn, Ablenkung und Spaß”, sagte Hell. Rechtsextreme Gruppierungen böten “Action und Provokation”: Dort fülle man die Zeit damit, Stress zu machen und sich in Wut auf andere hochzuschaukeln. “Der Hass hat hier etwas Stabilisierendes”, so Anhalt. Er diene als Gegenmittel zu Unsicherheit und existentiellen Ängsten.

Es brauche deshalb vermehrt Angebote für junge Menschen, “die Hoffnung stiften und Sinn erzeugen abseits des Rechtsextremismus”, mahnte Hell. Die Abwehr von Hass sei auch “eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe”. – Die Beratungsstelle “Violence Prevention Network” berät Eltern, Lehrer und betroffene Jugendliche in Berlin; zudem bietet sie Trainings in Gefängnissen in Sachsen und Brandenburg an.