Der Erzbischof von Belgrad und Vizepräsident des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen ist ein Brückenbauer zwischen Ost und West: gebürtiger Ungar, aufgewachsen in Serbien – mit ein bisschen Wien dabei.
Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn wurde im Januar 80 Jahre alt – und fehlt also im Konklave. Doch unter den gut 130 Papstwählern, die am Mittwoch (7. Mai) ins Konklave einziehen, gibt es dennoch einen Vertreter der historischen k.u.k.-Drehscheibe Wien: Kardinal Ladislav (Laszlo) Nemet (68), Erzbischof von Belgrad.
Sicher keineswegs ein Favorit, könnte der erste Kardinal mit serbischer Staatsbürgerschaft aufgrund seiner Stärken und reichen Dialogerfahrungen dennoch eine Rolle im Konklave spielen: ein Mann nach dem Geschmack von Papst Franziskus, der ihn noch bei seiner letzten Ernennungsrunde im Dezember ins Kardinalskollegium holte.
Nemet ist eine ausgesprochene Brückenfigur: Als gebürtiger Ungar, aufgewachsen und tätig in Serbien, vermittelt er zwischen Ost und West, Slawen und Magyaren, Orthodoxie und Katholizismus. Er ist sowohl mit der Lage Europas – als Vizepräsident des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) – als auch mit der Realität einer christlichen Minderheitskirche vertraut.
Als Mitglied der Steyler Missionare bringt er zudem den Blick seiner weltweiten Ordensgemeinschaft in die Kirche ein – denn die betreibt interkulturelle Seelsorge wie vielleicht keine andere. Nemet beherrscht neben seiner Muttersprache Ungarisch und Serbokroatisch auch Polnisch, Deutsch, Englisch und Italienisch.
1994 wurde Nemet Mitglied der Österreichischen Steyler-Provinz und unterrichtete an der Ordens-Hochschule südlich von Wien Dogmatik; zudem arbeitete er als Aushilfskaplan in einer Pfarrei und an der Vatikan-Vertretung für die in Wien ansässigen internationalen Organisationen mit.
Was das von Franziskus angestoßene Reformprojekt der Synodalität in der Kirche betrifft, zählt Nemet zu den Vorkämpfern und Pionieren. Eine Diözesansynode in seiner früheren Bischofsstadt Zrenjanin wurde bereits lang vor dem vatikanischen Synodalprozess gestartet. Der ungarische Serbe gilt als Wortführer einer Dezentralisierung der Kirche, mit verschiedenen regionalen Formen und vielfältigen Prägungen des katholischen Lebens. Zugleich regt er Nachdenken über verstärkte kontinentale Zusammenarbeit und Dialog der Ortskirchen in Form einer “europäischen Kirchenversammlung” an.
Nemet wirbt für Religionsfreiheit und für Frieden durch Diplomatie statt für Aufrüstung – und warnt vor einer “Ideologie der neoliberalen Marktwirtschaft”. Die derzeitigen Studentenproteste gegen die Regierung in Belgrad unterstützt er. Auch innerkirchlich war von dem Ordensmann immer wieder zu hören. Die Kirche dürfe die Debatte nicht Neo-Fundamentalisten und identitären Populisten überlassen, sondern müsse Vermittlerin inmitten von Polarisierung sein.
Nemet wurde am 7. September 1956 in der Ortschaft Odzaci geboren, damals jugoslawische Wojwodina. Seine Familie war katholisch und gehörte der ungarischen Minderheit an, weshalb er als Kind und Jugendlicher oft verspottet wurde, wie er später erzählte. Als Student bei den Steyler Missionaren in Polen erlebte er die Papstwahl Johannes Pauls II. 1978 – und war beeindruckt, wie der durch die Betonung der Menschenwürde auch politisch äußerst wirksam wurde.
Nach der Priesterweihe 1983 und zwei Jahren als Seelsorger in Kroatien studierte Nemet bis 1987 in Rom, wo er auch Jugendseelsorger war und erstmals mit der Vielfalt der Weltkirche in einer demokratischen Gesellschaft in Berührung kam. Bis 1990 folgte ein dreijähriger Aufenthalt als Missionar und Studentenseelsorger auf den Philippinen, dann die Promotion in Dogmatik 1994 in Rom.
Nach den zehn Jahren in Österreich folgten 2004 bis 2007 drei Jahre als Leiter der ungarischen Steyler-Provinz. Ab 2006 war Nemet zudem Generalsekretär der Ungarischen Bischofskonferenz.