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Bekannter TV-Priester spricht offen vom “Völkermord” im Gazakrieg

Von Jerusalem aus schlägt ein deutscher Pfarrer Alarm: Der frühere TV-Priester Stephan Wahl erhebt schwere Vorwürfe gegen Israels Kriegsführung. Dass das Land sich verrannt habe, müsse Deutschland ihm jetzt sagen.

Im Gazakrieg droht aus Sicht des Israel-Experten und Priesters Stephan Wahl die Zerstörung dessen, was im Gazastreifen noch übrig sei. “Bisher habe ich den Begriff des Völkermords bewusst nicht benutzt, aber mit Blick auf die entsetzlichen Bilder und Nachrichten aus Gaza kann ich diesen fürchterlichen Gedanken nicht mehr verdrängen”, sagte Wahl dem kirchlichen Kölner Internetportal domradio.de.

Namentlich wies er auf Äußerungen des israelischen Finanzministers Bezalel Smotrich hin, der in einer Pressekonferenz davon gesprochen habe, dass die Welt das Land nicht von der Zerstörung in Gaza abhalten werde.

Wahl ist Priester des Bistums Trier, lebt seit Jahren in Jerusalem und verfolgt die Entwicklung des Kriegs seit dem Terrorüberfall der Hamas auf Israel im Oktober 2023. Einem breiten Publikum ist er als ehemaliger Sprecher der ARD-Sendung “Das Wort zum Sonntag” bekannt.

“Es geht Israel nicht mehr um die Befreiung der Geiseln und den Sieg über die militanten Zweige der Hamas, sondern es geht Israel um Eroberung, Besatzung, Vertreibung und Neuansiedlung”, erklärte Wahl. Eine Rolle spiele auch die Aussage des US-Präsidenten Donald Trump, der von einem grundlegenden Neuaufbau des Gazastreifens sprach – einen “völlig hirnrissigen Riviera-Traum” nannte Wahl diese Idee.

Der Experte warnte vor einer Vertreibung der mehr als zwei Millionen Einwohner in Drittländer. Dies sei hinter der Evakuierungsaufforderung Israels an die Zivilbevölkerung zu vermuten, die sich in den Süden des inzwischen weitgehend zerstörten Gazastreifens begeben sollen.

Auch die Familien der von der Hamas nach Gaza entführten Geiseln seien verzweifelt. “Sie mussten sich jetzt von Ihrem Ministerpräsidenten öffentlich sagen lassen, dass die Befreiung der Geiseln – also ihrer Angehörigen – nicht mehr das vorrangige Ziel des Krieges ist”, schilderte Wahl.

Es braucht laut Wahl den “maximalen Druck der Welt”, um den Krieg zu beenden. Auch Deutschland müsse seinem Freund Israel deutlich machen, dass es sich verrannt habe. “Auf Freunde, die mir nach dem Mund reden oder lieber schweigen, als mir den Kopf zu waschen, wenn ich es verdient habe, pfeife ich”, so Wahl. Er hatte bereits im vergangenen Jahr dafür geworben, den Krieg mit einem Deal zu beenden.