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Beauftragte: “Geflüchtete werden sprachlich entmenschlicht”

Ob bei Einbürgerung, Asylverfahren oder Abschiebungen: Die Migrationsdebatte bekommt aus Sicht von Betroffenen allzu schnell eine deutliche Schlagseite. Auch die zuständige Beauftragte fordert einen anderen Zugang.

Die Bundesbeauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration, Reem Alabali-Radovan, fordert eine positivere Debatte über die Themen Flucht und Einwanderung. “Wir müssen unbedingt die Erfolge mehr in den Vordergrund stellen”, sagte sie der Berliner “taz” (Donnerstag). “Deutschland ist ein sehr erfolgreiches Land in der Mitte Europas, nicht trotz, sondern gerade wegen der Einwanderung.”

In der aktuellen Debatte beobachte sie eine Entfernung vom gemeinsamen Wertekonsens – auch in Teilen der politischen Mitte. “Geflüchtete werden sprachlich entmenschlicht, Menschenrechte über Bord geworfen und Migration wird insgesamt als Problem dargestellt”, so die Beauftragte. Die politische Debatte drehe sich im Kreis, es gehe nur noch um Abschottung und Rückführung. Das gehe mit “krassen, populistischsten Forderungen” einher.

Unbestritten gebe es aber Herausforderungen in den Ländern und Kommunen, zu denen echte Lösungen gefunden werden müssten, sagte Alabali-Radovan. Es fehlten Kitaplätze, Betreuung und Wohnungen. “Das alles wirkt sich auch auf den Bereich Arbeit aus.” Dass die Union ihre Solidarität für Ukrainerinnen und Ukrainer nun daran knüpfen wolle, ob sie arbeiteten oder nicht, sei aber “hetzerisch”. Auch würden durch eine Diskussion über Asylverfahren in Drittstaaten keine Probleme in Deutschland gelöst.

Sie wünsche sich zudem “einen Ruck gegen Rassismus, der durch die ganze Gesellschaft geht”, sagte die Beauftragte. Betroffene hätten nicht das Gefühl, dass kurze Wellen der Empörung wie nach dem Video mit rassistischen Gesängen auf Sylt nachhaltig wirkten und wirklich etwas änderten.

Die Türkische Gemeinde in Deutschland kritisierte im Zusammenhang mit dem am Donnerstag in Kraft getretenen neuen Staatsangehörigkeitsrecht für schnellere Einbürgerungen ebenfalls eine “pessimistische Debatte”. Es werde so getan, “als gäbe es fortan irgendwas geschenkt für Menschen, die sich hier nicht anstrengen würden”, sagte der Vorsitzende des Vereins, Gökay Sofuoglu. Dabei sei Vielfalt die Zukunft Deutschlands. Politiker bräuchten Ideen zur Gestaltung dieser Zukunft.

Eine Einbürgerung ist ab sofort nach fünf statt bisher acht Jahren Aufenthalt in Deutschland möglich, bei besonderen Integrationsleistungen schon nach drei Jahren. Zudem sind doppelte Staatsbürgerschaften generell erlaubt.