Er öffnet die Tür, spricht schnell ein stilles Gebet in Richtung Altar, dann gibt Thomas Villing den Weg frei für das, was ihm am Herzen liegt: seine erste, selbst entworfene Hauskapelle. Weitere sieben wurden bisher errichtet. Seine neuste Vision: mobile Kapellen für Flüchtlingssammelunterkünfte.
Gläubigen einen Ort zum Gebet anbieten
Thomas Villing sprudelt vor Begeisterung. Mal wieder ist dem 46-Jährigen eine Idee gekommen, die er unbedingt umsetzen will. Bislang hält er davon nur eine Zeichnung in den Händen. Gespräche mit Baufirmen laufen. „Ich möchte Christen in Flüchtlingssammelunterkünften einen Ort für ihre Seele und für ihr Gebet bieten.“
Ausgedacht hat sich der Kapellenbauer einen acht auf drei Meter großen Kubus, mit bunten großflächigen Glasfenstern und Glockenturm. Größe und Gewicht sind genau berechnet. Die mobile Kapelle soll mit dem Lastwagen an- und nach Gebrauch auch wieder problemlos abtransportiert werden. „Wenn die Kapellen in den Flüchtlingssammelunterkünften nicht mehr gebraucht werden, dann könnten sie bei Jugend- und Altersheimen, Krankenhäusern oder bei Kirchentagen als ein Ort der Stille und Einkehr verwendet werden.“
Es dauert nicht lang, bis der schlanke, graumelierte Mann aus seinem Leben erzählt. Mit 26 Jahren machte sich der gelernte Werkzeugmacher und Maschinenbautechniker selbstständig. Seitdem fertigt er mit seinen Mitarbeitern rostfreie Drehteile aus Edelstahl. Die Geschäfte laufen gut – Stress gab es von Anfang an. „Die Konkurrenz ist groß, vor allem hier in der Gegend.“ In und um Wehingen werden Präzisionsteile hergestellt. Die Dichte der Fachbetriebe ist auf der Schwäbischen Alb in ganz Europa einzigartig. „Das Uhrenhandwerk hatte hier früher seinen Sitz – in der Nachfolge entstanden die Präzisionsteilefirmen.“
Viele Jahre ging alles gut. Viel hat der Unternehmer und zweifache Familienvater für seine Firma geopfert – auch seine Gesundheit. Er brach zusammen: Herzmuskelentzündung. Die heimtückische Krankheit kann – wenn sie nicht rechtzeitig erkannt wird – zum plötzlichen Herztod führen. „Gott hat mich von einer Stunde auf die andere ausgebremst.“
Mit jedem Tag, den er schwer krank im Krankenhaus überlebte, dankte er noch mehr seinem Schöpfer; täglich ging er in die Krankenhauskapelle. „Irgendwann war ich dann soweit und versprach Gott, wenn er mich diese Krankheit überleben lässt, eine Kapelle in meinem Garten zu bauen.“ Zurück zuhause begann er zu planen. Die Details arbeitete er mit einem Architekten aus. Der Plan: kein fest mit dem Boden verbundenes Gebäude und gerade so groß, dass es auch ohne Baugenehmigung geht.
Thomas Villing ist ein Geschäftsmann mit Geistesblitzen: Nach den Plänen lässt er Beton-Gussformen anfertigen, um neben seiner eigenen Kapelle gleich weitere für Menschen herzustellen, die ein ähnliches Bedürfnis haben. „Als ich wieder gesund war, sah ich das als meine neue Aufgabe an, die mir Gott zugedacht hat: Orte des Gebets und der Besinnung errichten.“ Er investiert kräftig in sein Kapellenbauunternehmen. Da er von der Bank keinen Cent erhält, steckt er sein gesamtes Privatvermögen und seine angesparte Altersversorgung in seine neue Firma Iremia. Der Name kommt aus dem Griechischen und bedeutet Ruhe und Frieden.
Kapellen in verschiedenen Varianten im Angebot
„Ich bin bis heute der einzige Anbieter für in Fertigbauweise errichtete Hauskapellen nördlich der Alpen“, sagt Villing stolz. Er bietet verschiedene Versionen an: Eine Kapelle hat einen Zwiebelturm mit Glocke, die andere ein Schiffdach. Eine wird mit Solaranschluss und Heizung geliefert, die andere mit Kuppeldach im typisch byzantinischen Baustil. Letztere ist ein Wunsch seiner in Deutschland aufgewachsenen Frau, die Wurzeln in der griechisch-orthodoxen Kirche hat. In Griechenland sind Hauskapellen verbreitet.
Wie bei einem Fertighaus lässt der Unternehmer auf Bestellung den Boden und die Wände im Betonwerk gießen. Der künftige Besitzer errichtet währenddessen dort, wo die Kapelle stehen soll, ein verdichtetes Schotterfundament. Villing und sein Hausschreiner liefern die Betonteile und zimmern die Dachkonstruktion vor Ort. Am Schluss wird im Glockenturm die Bronzeglocke, die an einem Eichenjoch schwingt, befestigt. Zwischen Bestellung und Auslieferung liegen lediglich drei Monate. Die Kosten dafür liegen bei rund 20 000 Euro.
Bisher hat er sieben Kapellen in Deutschland – von Nord nach Süd – und in Österreich ausgeliefert. Je nach Innenausstattung haben vier bis sechs Personen Platz. Die Gestaltung ist den Eigentümern überlassen. Auf Wunsch liefert er aber auch Zubehör wie Kerzen oder den Altar. In seiner Nachbarschaft lebt die Glasmalerin Gabi Weiss, die die kunstvollen Glasfenster liefert. Von jeder Kapellen-Variante hat er einen Prototyp auf seinem Firmengelände stehen.
Preiswerter sind die Minikapellen und Bildstöcke, die Villing aus Griechenland importiert. Die Kapellchen aus einer speziellen Gips/Beton-Mischung sind schon für 300 Euro zu haben. „Sie sind ideal für jeden Garten oder Balkon. Es gibt heute keine Stadt in Deutschland, wo keine Minikapelle von mir steht.“
Das Gebet als Kraftquelle verschafft Frieden
Geld verdienen will Villing mit den Kapellen nicht. Vielmehr geht es ihm darum, Menschen zu helfen, ihren Glauben zu festigen. „Ich bin zufrieden, wenn Gebete in den Himmel geschickt werden, die ohne meine Kapellen sonst nicht gesprochen worden wären.“ Zuhause besuchen seine zwei Kinder öfters die dort stehende Minikapelle. „Wenn ich auf Reisen bin, stellt meine Frau grundsätzlich eine kleine Kerze für mich hinein“, weiß Villing. Wenn er zuhause ist, sucht er seine Kapelle praktisch täglich auf – „vor allem wenn es richtig stressig in der Firma wird“. Dann betet er vor dem „Auferstandenen“, sein Lieblingsmotiv und sein ganz persönlicher Mutmacher und Tröster, um neue Kraft. „Das Gebet verschafft mir Ruhe und Frieden – auf Griechisch Iremia.“