Es war kein Zufall, dass gleich beim ersten „bauhaus music weekend“, das vom 22. bis 24. September in Berlin stattfand, im ersten Konzert ein Werk von Johann Sebastian Bach, das sechste seiner Brandenburgischen Konzerte, auf dem Programm stand: Musik des barocken Meisters als Mitte oder auch Bindeglied im Verein mit Werken von Stefan Wolpe und Paul Hindemith. Denn Bach (1685–1750) war prägend für die Kunstschaffenden des Bauhauses. Die 1919 gegründete Kunst-Schule war angetreten, den „neuen Bau der Zukunft“ zu errichten: ein ideelles Gebilde, im Reellen gründend auf der Hände Werk und auf dem vernetzten Ineinandergreifen verschiedenster Disziplinen.
Bach-Musik war im Bauhaus omnipräsent
Das Bauhaus bot ein Experimentierfeld, auf dem neu gedacht und neu gemacht werden konnte. Konzepte und Ergebnisse wurden 1923 in Weimar erstmals öffentlich präsentiert. An diese große Bauhaus-Ausstellung knüpfte das „bauhaus music weekend“ Mitte September an und bot im Meistersaal am Potsdamer Platz der Musik im Umfeld des Bauhauses eine Bühne. Aufgeführt wurden Werke von Igor Strawinsky oder Kurt Weill, aber auch vom Meister der Fuge, von Johann Sebastian Bach. „Bach war omnipräsent im Unterricht des Bauhauses“, sagt Kai Hinrich Müller.
Der Musikwissenschaftler aus Köln erforscht aktuell gemeinsam mit dem Bauhaus-Archiv/Museum für Gestaltung die Musik am Bauhaus. Das ist ein weites Feld. Knapp 165 Musikschaffende oder musikaffine Künstlerinnen und Künstler sind bereits aufgespürt worden; ihre Biografien werden 2024 in einem Handbuch gebündelt erscheinen. Die Musik, die sie komponierten und spielten und mit der sie „das Bauhaus“ inspirierten, sowie die Musik, auf die sie ihrerseits rekurrierten, soll wieder neu gehört werden.
Dabei ist das „bauhaus music weekend“ ein Format, in dem das Bauhaus diskutiert und eingeordnet werden, aber vor allem klingen kann. Und so war es folgerichtig, zum Auftakt auch die barocke Musik von Johann Sebastian Bach zu spielen: neben dem Brandenburgischen Konzert Nr. 6, das so reich an kontrapunktischen Elementen ist, auch Bearbeitungen von Werken des Thomaskantors, wie jene des Bach-Bewunderers Ferruccio Busoni.
Paul Klee “vermalte” die Bach’sche Fuge
Die Bauhaus-Künstler hörten und spielten aber nicht allein die Musik von Johann Sebastian Bach, sie übertrugen seine Art des konstruktivistischen Komponierens und sein künstlerisches Ideal auch auf die eigene Form des Ausdrucks. So komponierte der Bauhaus-Meister Lyonel Feininger, in jungen Jahren aus New York nach Deutschland gekommen, um in Leipzig Musik zu studieren, zwischen 1921 und 1927 drei Fugen für Klavier und zehn für die Orgel. Die Bach’sche Kunst spiegelt sich auch in Feiningers Kunst, die in der Ausgewogenheit von Harmonie und Dissonanz, von formaler Strenge und Rhythmik eine Synthese der Fuge sein sollte. Auf dem Titelblatt des Bauhaus-Manifests von 1919 ist Feiningers berühmt gewordener Holzschnitt „Kathedrale“ abgebildet. Das Ideal eines Baus: eine Kirche – und dorthin gehört selbstredend Musik.
Das Kompositionsprinzip der Bach’schen Fuge „vermalt“ hat der Künstler Paul Klee, der von 1921 bis 1931 am Bauhaus unterrichtete. Seine „Tonart“ ist eine Farbe, seine Fuge die „Fuge in Rot“. Die bildende Kunst ermöglichte Klee eine schöpferische Tätigkeit, seine ganz große Liebe galt allerdings stets der Musik.Das „bauhaus music weekend“ schärfte mit dem Blick zurück die Sicht auf die Gegenwart – in der inhaltlichen Reflexion und in der musikalischen Interpretation. Das zeigte sich deutlich in der „Geschichte vom Soldaten“ von Igor Strawinsky. Der Soldat, von dem mit sarkastischer Schärfe erzählt wird, verliert sich auf seiner Lebenswanderung. Er sucht, was er nicht hat, verwirft, was wert und wichtig ist. „’s ist Krieg“ – die Claudius’sche Klage (Matthias Claudius, 1740–1815) wird in dieser Geschichte mehrfach unterstrichen. Denn Krieg war und ist und tobt durchaus im Menschen selbst.
Die künstlerisch-wissenschaftliche Verantwortung des „bauhaus music weekend“ lag bei Kai Hinrich Müller, der Bauhaus-Archiv-Direktorin Annemarie Jaeggi sowie der Pianistin Michal Friedlander und dem Dirigenten und Klarinettisten Karl-Heinz Steffens. 2024 widmet sich das Festival unter dem Motto „Freiheit“ der musikalischen Avantgarde, 2025 geht es in die Welt der Oper.