Artikel teilen:

Bauhaus-Archiv zeigt Ausstellung über Schulbau – eine soziale Frage

Elektronische Tafeln und der alte Röhrenfernseher – viele Schulen in Deutschland sind teils modern, teils marode. Eine Ausstellung in Berlin untersucht nun die Wirkung von Architektur auf Schüler und Bildung.

Der Fernsehwagen, er hat überlebt. Zwischen elektronischen Tafeln und ergonomischen Stühlen steht in der Walter-Gropius-Schule in Berlin-Neukölln noch immer jenes ikonografisches Mobiliar, das sich bei Generationen von Schülern ins kollektive Gedächtnis eingebrannt hat. Versteckt hinter abgenutzten, hölzernen Türen kommt der klobige Röhrenfernseher zum Vorschein, der auch heute noch das Werkzeug eines jeden guten Vertretungslehrers ist. Doch der Fernsehwagen sendet existenzielle Fragen: Wie ist es um die Ausrüstung in deutschen Schulen bestellt? Wie sehen die Orte, an denen Schüler täglich lernen, überhaupt aus? Die Ausstellung “Eine soziale Frage. Die Walter-Gropius-Schule in Neukölln” im Temporary Bauhaus-Archiv Berlin gibt seit Freitag fotografische Einblicke in den Zusammenhang zwischen Design, Architektur und Bildung.

Die Walter-Gropius-Schule “ist das Mutterschiff des pädagogischen Bauens in ganz Deutschland”, sagt Schulleiter Lars Neumann. In den 1960er-Jahren wurde sie vom Bauhaus-Gründer Gropius geplant und als eine Art Pavillon-Schule entworfen. Der Aufbau ist dabei nicht klassisch, sondern besteht aus sechseckigen Häusern, die um den Schulhof herum platziert und durch große, gläserne Flure miteinander verbunden sind. Es gibt offene, helle Räume und die Lehrer können einen gesonderten Bereich im Klassenraum nach ihren Wünschen gestalten – vor einer bunt bemalten Wand liegen einzelne Legosteine.

So weit, so progressiv. Doch in der Ausstellung, die aus fotografischen Arbeiten von Studenten und Studentinnen der Fachhochschule Potsdam besteht, werden auch die Schattenseiten der Architektur und der Einrichtung beleuchtet. “Im Sommer ist es zwar hell und freundlich, aber es heizt sich durch das viele Glas schnell auf”, erklärt Studentin Monique Petermann. “Und im Winter herrscht hier eine gewisse Monotonie”, so die 27-jährige, die sich in ihrer Arbeit besonders mit der Gleichzeitigkeit beschäftigt hat – was war, was ist noch geblieben? Es existiere alles gleichzeitig, wenn der Fernsehwagen vor die Smartboards geschoben wird. Die Ambivalenz wird haptisch.

Und so zeigt die Ausstellung auch viele Relikte aus vergangenen Jahrzehnten, die für die Schüler aber noch stets die Realität bedeuten. Die große, massive Tür zur “Speisenausgabe” neben einer kargen, orangefarbigen Wand könnte gut und gerne aus einer Haftanstalt stammen; der Blick aus dem verschmutzen Fenster ist durch gitterähnliche Streben beschränkt und zeigt nur einen leeren, betonierten Hof.

“Design und Architektur entstehen aus unseren Ideen, wie wir zusammenleben wollen”, sagt Wiebke Loeper. Laut der Professorin der Fachhochschule Potsdam gelinge das mal besser und mal schlechter. Entscheidend für eine gute Wirkung sei eine gute Pflege. Doch beim Blick in die Bilder der Ausstellung wird deutlich: Vieles in der Walter-Gropius-Schule ist renovierungsbedürftig – auch die Außenfassaden. “Graue Betonarchitektur lebt vom baulichen Zustand”, so Loepke. “Ist der Zustand schlecht, wird es schnell ein trauriger Bau.” Und so kriecht der dunkle “Schmodder” immer weiter die kleinen Rillen an den Wänden der Gebäude empor.

Nicht nur, um diese Gleichzeitigkeit zwischen Fortschritt und Vergangenem an der Walter-Gropius-Schule auszustellen, wurde das Projekt ins Leben gerufen. Ganz plastisch soll anhand der Schule auf den teils maroden und sanierungsbedürftigen Zustand von vielen Bildungsstätten in ganz Deutschland aufmerksam gemacht werden. In der Ausstellung, die noch bis zum 29. Januar kommenden Jahres zu sehen ist, soll besonders eine Frage gestellt werden: Was sind uns unsere Schüler eigentlich wert?