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Autorin und Ärztin dringt auf Regelung von Suizidassistenz

Echte Fragen bleiben offen: Die frühere Palliativärztin Lou Bihl fordert mehr Offenheit im Umgang mit Tod und Sterben. Das setzt auch den Gesetzgeber unter Druck.

Die Erkenntnis, dass man sterben werde, kann auch Raum für Gestaltung geben (Symbolbild)
Die Erkenntnis, dass man sterben werde, kann auch Raum für Gestaltung geben (Symbolbild)Imago / epd

TV-Leichen überall – doch über den echten Tod spricht niemand: Das kritisiert die Schriftstellerin Lou Bihl. “Wenn man in Krimis ständig Leichen sieht, wird man gewissermaßen gegen das Grauen des Sterbens immunisiert”, sagte die Autorin im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Wer die Endlichkeit ausblende, vergebe jedoch die Chance, “das Leben so zu gestalten, als wäre es eben nicht unbegrenzt”.

Das lernten Menschen oft erst, wenn sie wüssten, dass ihr Leben zu Ende gehe, sagte Bihl, die lange als Onkologin gearbeitet hat. “Ein simples Beispiel ist die Frage, worüber man sich ärgert – über Kleinigkeiten oder nur über entscheidende Dinge.” Die Erkenntnis, dass man sterben werde, müsse nicht mit Grauen behaftet sein – vielmehr gebe sie Raum für Gestaltung.

Suizidassistenz: Gesetzgeber muss für Klarheit sorgen

Bihls Roman “Nicht tot zu sein, ist noch kein Leben” ist kürzlich erschienen. Er erzählt von zwei Freundinnen, die sich nach langer Zeit wieder begegnen, als eine von ihnen schwer erkrankt – und von der Frage nach einem selbstbestimmten Sterben. Der Gesetzgeber müsse für mehr Klarheit sorgen, mahnte die Medizinerin. “Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass es nicht Sache des Staates ist zu entscheiden, ob oder wie Menschen ihr Leben beenden. Man kann es bedauern, wenn jemand das tut, aber der Staat darf dies weder vorschreiben noch jemanden dafür bestrafen.”

So sei bislang weder das Medikament verfügbar, das in vielen Ländern für assistierten Suizid verwendet wird, noch geregelt, was mit der Dauerhaftigkeit eines Sterbewunsches gemeint war. Diese staatliche Ebene sei etwas anderes als die persönlichsten Entscheidungen, betonte Bihl: Wenn etwa jemand darum bittet, “ihm zum Tod zu verhelfen, weil er keine Lust mehr auf das Leben hat – dann wird der Arzt natürlich versuchen zu klären, wo diese Haltung herkommt und ob es einen anderen Weg gibt”.

Kirchen uneins bei Suizidbeihilfe

2015 hatte der Bundestag ein Gesetz beschlossen, das kommerzielle und auf Wiederholung angelegte Suizidbeihilfe untersagte. Im Februar 2020 kippte das Bundesverfassungsgericht das Gesetz – und formulierte ein Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben. Während Teile der evangelischen Kirche signalisieren, sie könnten der Entwicklung durchaus etwas abgewinnen, bleiben Vertreter der katholischen Kirche weithin bei ihrem Nein zum Suizid.