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Ausstellung zu 75 Jahre Jüdische Gemeinde Frankfurt wird eröffnet

Die Jüdische Gemeinde Frankfurt am Main zeigt ab diesen Mittwoch die Ausstellung „Auf Leben – 75 Jahre Jüdische Gemeinde Frankfurt“. Die Schau über die 75 Jahre der Wiederbegründung jüdischen Lebens nach dem Holocaust sei einzigartig unter den jüdischen Gemeinden in Deutschland, sagte am Dienstag das Vorstandsmitglied der Gemeinde, Marc Grünbaum. Die Ausstellung zeichne „die Lebenslinien der Gemeinde“ aus der eigenen Perspektive nach und enthülle eher unbekannte Seiten. Die Tafeln mit historischen Fotos, Texten und Videointerviews sind im Ignatz-Bubis-Gemeindezentrum bis zum 26. Mai 2024 zu sehen.

Acht chronologisch angelegte Kapitel heben Entwicklungsschritte des Wiederaufbaus hervor. Ab der Wiedereinweihung der Westend-Synagoge 1950 und der Gründung eines Kindergartens und Altenheims zeigt sich die Entfaltung des jüdischen Lebens. Die Forschung zur Ausstellung habe auch die Auseinandersetzungen in der Gemeinde Ende der 1960er Jahre und Anfang der 1970er parallel zur Studentenbewegung ans Licht gebracht, sagte Grünbaum: „Die Studierenden haben eine Revolution gemacht und alles hinterfragt.“ So forderten sie bei der Gemeinderatswahl 1971 mit der sozialistisch orientierten „Jungen Liste“ den etablierten Vorstand heraus. Auf einem Foto sind Vertreter der Aufmüpfigen, darunter der Historiker und Schriftsteller Dan Diner, auf einer Demonstration gegen die Immobilienspekulation im Westend zu sehen.

Furore in der Stadtgesellschaft machte 1985 die Besetzung der Bühne des Frankfurter Schauspiels durch Mitglieder der Jüdischen Gemeinde und den Vorsitzenden Ignatz Bubis. Die Demonstranten hielten unter anderem ein Transparent mit der Anklage „Subventionierter Antisemitismus“ hoch und blockierten die Aufführung des Stücks „Der Müll, die Stadt und der Tod“ von Rainer Werner Fassbinder. Die Schau plakatiert den aufsehenerregenden Zwischenfall mit Dokumenten auf einer Litfaßsäule.

Weitere Meilensteine sind die Gründung des Gemeindezentrums 1986 und die Integration von 5.000 jüdischen Einwanderern aus der früheren Sowjetunion in den 1990er Jahren. Der jüngste Zeitabschnitt der Schau ist gerahmt von dem Anschlag auf die Synagoge in Halle 2019 und dem Massaker der Hamas an Israelis am 7. Oktober. Ein Foto zeigt eine gedeckte Schabbat-Tafel mit 222 leeren Stühlen quer über den Frankfurter Marktplatz, die am 27. Oktober an die von der Hamas entführten Israelis erinnerte.

Neben vier weiteren, thematischen Kapiteln zum religiösen Leben, der sozialen Fürsorge, der Gestaltung der Erinnerung und der Solidarität mit Israel verorten zwei wandhohe Stadtpläne jüdisches Leben in Frankfurt zwischen 1950 und 1980 sowie in diesem Jahr.

Die Jüdische Gemeinde in Frankfurt sei die einzige in Westdeutschland, die im vergangenen Jahr gewachsen ist, erläuterte Grünbaum. „Wir sind die jüngste Gemeinde in Deutschland und platzen aus allen Nähten.“ Das Vorstandsmitglied gestand: „Nach dem 7. Oktober sind wir stark angefasst.“ Die Gemeinde müsse für Sicherheit sorgen und Vertrauen in diese unter den Mitgliedern werben. Aber die Teilnahme von 5.000 Menschen an einer Lichterkette für die Solidarität mit Jüdinnen und Juden am 10. Dezember in Frankfurt mache Mut.

Die bis zumindest ins 12. Jahrhundert zurückreichende jüdische Gemeinde in Frankfurt zählte 1933 mehr als 30.000 Mitglieder. In der NS-Diktatur wurden etwa 12.000 von ihnen ermordet. Nach dem Holocaust hatten nach Angaben der Gemeinde 160 Jüdinnen und Juden die Verfolgung in Frankfurt überlebt, 400 Überlebende seien aus dem Konzentrationslager Theresienstadt zurückgekommen. Heute gehört die Jüdische Gemeinde Frankfurt mit 6.300 Mitgliedern zu den vier größten jüdischen Gemeinden in Deutschland. Sie vereint orthodoxe und liberale Gläubige unter einem Dach.