Stralsund/Prag. Einigkeit und Recht und Freiheit… Diese drei Worte aus der dritten Strophe unserer Nationalhymne werden von uns heute so selbstverständlich gelebt, dass es zwischendurch immer mal wieder einer Erinnerung bedarf. Einer Erinnerung, dass der Weg dorthin für unsere Eltern und Großeltern und Generationen davor ein langwieriger und schmerzhafter war. Ein Weg voller gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Umbrüche und vor allem ein Weg, der mit Leid und Tränen und unzähligen Toten teuer erkauft wurde.
Anfang September machen wir uns von Stralsund aus auf den Weg zu einer Auslandsrüstzeit. Ziel: Prag. Und wer sind wir? Nun, 18 Angehörige der 7. Inspektion der Marinetechnikschule. Unter der Leitung des evangelischen Militärpfarrers Carsten Süberkrüb und unterstützt durch seinen Pfarrhelfer Sven Groth wollen wir im goldenen Prag „Geschichte zum Anfassen“ erleben: 400 Jahre Ende des Dreißigjährigen Krieges, 100 Jahre Ende des ersten Weltkrieges, 50 Jahre Prager Frühling. Mindestens drei gute Gründe, die für Prag sprechen.
Erinnerungen am "Genscher-Balkon"
Am ersten Tag stimmen wir uns während der Fahrt in die Stadt mit Artikel 4 des Grundgesetzes „Glaubens- und Religionsfreiheit“ auf ein für viele Menschen schwer zu greifendes Thema ein: Jüdisches Leben in Prag. Nirgendwo sonst in Europa bekommt man einen so intensiven Einblick in die Grundlagen jüdischen Lebens, in jüdische Kultur und in jüdische Geschichte, wie hier in Prag in der Josephstadt.
Das jüdische Viertel bildet mit den sechs verbliebenen Synagogen, dem Jüdischen Rathaus und dem Jüdischen Friedhof das Jüdische Museum, das seine Anfänge bereits 1906 hat. Unter den Nationalsozialisten wurde hier 1943 das Jüdische Zentralmuseum mit dem Ziel eingerichtet, Exponate einer „ausgestorbene Rasse“ einem ausgewählten Publikum zu präsentieren. Mit diesem fragwürdigen Ziel entgingen viele Gebäude und Exponate der Zerstörung.
Am folgenden Tag folgen wir einem Teil des alten „Krönungsweges“ in die Prager Kleinseite und gelangen zur Deutschen Botschaft, die 1989 eine bedeutende Rolle auf dem Weg in die Deutsche Einheit gespielt hat. Auf der Rückseite der Botschaft werfen wir einen Blick auf den Garten und den „Genscher-Balkon“. Wir erinnern uns – 30. September 1989: … „Liebe Landsleute, wir sind zu ihnen gekommen, um ihnen mitzuteilen, dass heute ihre Ausreise …“.
Die Bronzeskulptur eines auf Beinen stehenden „Trabi“ im Botschaftsgarten des tschechischen Gegenwartskünstlers David Cerny erinnert an die Ereignisse 1989. Die Deutsche Botschaft befindet sich seit 1974 im Lobkowitz-Palais. Der Name Lobkowitz wird uns später noch einmal begegnen.