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Arte-Doku über Medienfreiheit in Europa

Eine Arte-Dokumentation zeigt, wie kritische Journalisten in Europa mundtot gemacht werden. Besonders prekär scheint die Situation in Griechenland und in der Slowakei.

Der Finanzjournalist Thanasis Koukakis recherchiert für die “Financial Times” Themen wie Geldwäsche und Steuerhinterziehung in Griechenland. Als eine seiner Quellen sich bei einem Telefonanruf direkt nach dem Wählvorgang meldete, ohne Zeitverzug, dachte der Reporter sich zunächst nichts dabei. Auf den Tipp eines Bekannten hin ließ er aber später sein Smartphone untersuchen, das mit der Spyware “Predator” infiziert war. So wie Koukakis erging es Dutzenden von griechischen Staatsbürgern, darunter dem Vorsitzenden der sozialistischen Partei “Pasok”, Nikos Androulakis.

Diesen Fall – der inzwischen als “griechisches Watergate” bekannt wurde – nimmt die SWR-Journalistin Steffi Fetz zum Anlass einer kritischen Bilanz zu Freiheit und Unabhängigkeit der Presse, nicht nur in Griechenland. Dazu richtet ihr siebzigminütiger Film Streiflichter unter anderem auf die Situation in Frankreich und Deutschland, aber auch auf andere EU-Staaten.

Vor allem in der Slowakei gibt es “Negativschlagzeilen rund um die Pressefreiheit”, wie es im Film heißt. Der Auftragsmord an Jan Kuciak, der als Investigativjournalist über Korruption, Verbindungen zwischen Politik, Wirtschaft und organisierter Kriminalität sowie über mafiöse Strukturen in der Slowakei recherchierte, liegt zwar schon fünf Jahre zurück. Seither wurde kein weiterer Reporter mehr ermordet. Allerdings wurde 2024 der öffentlich-rechtliche Rundfunk des Landes abgeschafft. Die slowakische Regierung ersetzte ihn durch ein Staatsmedium.

Einen Stimmungsbericht über die damit einhergehende Veränderung gibt Sona Weissowa, die für den Sender auch über die Ukraine berichtete. Da die Regierung einen pro-russischen Kurs fährt, wurden ihre kritischen Beiträge zusehends ignoriert. Inzwischen arbeitet sie in Österreich als freie Journalistin. In der Slowakei sei der Druck zu stark geworden, besonders gegen Frauen.

Diesen Druck bekam auch der TV-Journalist Michal Kovacic zu spüren. Kovacic moderierte für den privaten Fernsehsender Markiza die beliebte Politik-Debattensendung “Natelo”, die sich schnell als einflussreichste politische Talkshow in der Slowakei etablierte. Berichten zufolge übte die slowakische Regierung dann zunehmend Druck auf den Sender aus. Nachdem Kovacic in “Natelo” mit Bezug auf Ungarn erklärte, die Slowakei “erlebt gerade einen Kampf um die Orbanisierung der Medien”, wurde die Sendung kurzerhand abgesetzt und Kovacic entlassen.

Ein Lichtblick, so zeigt die Dokumentation, ist das unabhängige Onlineportal 360°, das Kovacic daraufhin gemeinsam mit Kollegen gründete. Aus privater Hand wurden dafür eine halbe Million Euro gespendet. Für ein kleines Land wie die Slowakei, so Reporter Adel Ghannam, sei das eine Menge Geld. Die Spendenbereitschaft verdeutliche, wie wichtig den Menschen in der Slowakei Pressefreiheit sei. Besonders nach dem Mord an Jan Kuciak.

Ähnlich, so zeigt der Film, scheint die Situation in Frankreich zu sein. Hier wurde Ariane Lavrilleux, Investigativjournalistin beim Medium Disclose, von der Polizei in Marseille verhaftet und 39 Stunden lang verhört. Sie hatte ihr zugespielte Dokumente des Geheimdienstes veröffentlicht. Aus diesen sogenannten Egypt Papers geht hervor, dass Frankreich die ägyptische Regierung nachrichtendienstlich unterstützte.

Machte der Staat sich dadurch mitschuldig an der Tötung von Schmugglern an der ägyptisch-libyschen Grenze? Da der Sachverhalt nicht in seiner gesamten Komplexität aufgerollt wird, ist es nicht ganz leicht, den Fall als staatlich gelenkte Unterdrückung der Pressefreiheit zu verstehen.

Der Blick auf die Situation in Deutschland, der diese sehenswerte Dokumentation abrundet, zeigt ein etwas anders Bild. Zu Wort kommt der Correctiv-Mitarbeiter Martin Bensmann, der beklagt, dass einer seiner Mitarbeiter unter Druck gesetzt wurde. Im Gegensatz zur geschilderten Situation in der Slowakei und in Griechenland, in denen jeweils Regierungen gegen unliebsame Journalisten vorgehen, ist hierzulande nicht bekannt geworden, dass das Recherchekollektiv in ähnlicher Weise von der Staatsmacht bedrängt würde.

Konkreter scheint der Verdacht eines staatlichen Übergriffs bei der Überwachung des Pressetelefons der Klimaaktivisten-Gruppe “Letzte Generation” zu sein. Hier klagen betroffene Journalisten, die dabei mit ausgespäht wurden, gegenwärtig vor dem Bundesverfassungsgericht. In Deutschland gibt es noch die Möglichkeit, sich gegen unangemessene staatliche Überwachungsmaßnahmen zur Wehr zu setzen. Allerdings hätte der Film diese Abhörmaßnahme – die im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der Bildung einer “kriminellen Vereinigung” erfolgte – differenzierter darstellen können.

Zuweilen ist die Dokumentation, die sprechende Köpfe aneinanderreiht, etwas zäh. Grelle Musikuntermalung, bunte Grafiken und dekorative Drohnenaufnahmen über den Dächern von Athen lockern die Darstellung nur teilweise auf. Dennoch ist der Film überaus sehenswert.

Denn dankenswerterweise blickt die Autorin über den Tellerrand hinaus. Die prekäre Situation investigativer Journalisten in einigen europäischen Staaten ist bedenklich. “Wenn Sie uns vor 15 Jahren gefragt hätten, ob wir uns Sorgen um die Pressefreiheit in Europa machen, hätte ich gesagt: Nicht wirklich. Heute sieht die Situation ganz anders aus”, sagt Scott Griffen vom International Press Institute.