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“Antimuslimischer Rassismus wird unterschätzt”

In Dresden wird in diesen Tagen an die Ägypterin El-Sherbini erinnert, die 2009 Opfer von islamfeindlichem Hass wurde. Zum 15. Todestag sind mehrere Veranstaltungen geplant. Anfang der Woche berichtete die Claim Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit von einem starken Anstieg von antimuslimischem Rassismus in Deutschland. Der Evangelische Pressedienst (epd) hat anlässlich des Jahrestages der Ermordung die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, nach der aktuellen Situation gefragt.

epd: Die Statistik weist einen Höchststand an antimuslimischen Vorfällen auf. Wie interpretieren Sie diese Zahlen?

Ataman: Der dramatische Anstieg antimuslimischer Übergriffe macht mir große Sorgen. Die Zahlen von Claim zeigen einen alarmierenden Anstieg, den wir als Antidiskriminierungsstelle des Bundes auch bei unseren Beratungsanfragen beobachten. Die Hemmschwelle für Diskriminierung scheint zu sinken. Menschen werden offener und direkter ausgegrenzt und schlecht behandelt. Die Politik darf die Menschen damit nicht alleine lassen.

epd: Marwa El-Sherbini war eines der ersten Todesopfer des antimuslimischen Rassismus im wiedervereinten Deutschland. Dieser Fall sollte Mahnung sein. Aber nach 15 Jahren scheinen Hass und Hetze noch größer – wie erklären Sie sich das?

Ataman: Antimuslimischer Rassismus wird nach wie vor unterschätzt. Daran hat auch der grausame Mord an Marwa El-Sherbini vor Gericht nicht viel geändert. Dass Muslime oft als Problem dargestellt werden, schafft einen Nährboden für Generalverdacht, Ablehnung und Hass. Muslime bekommen das täglich zu spüren. Viele werden diskriminiert, beleidigt und im schlimmsten Fall körperlich angegriffen.

epd: Was muss im Kampf gegen antimuslimischen Rassismus angepackt werden, wo sehen Sie Versäumnisse?

Ataman: Wir brauchen eine politische Gesamtstrategie gegen antimuslimischen Rassismus. Denn das Problem betrifft viele Bereiche: Bildung, den öffentlichen Raum, soziale Medien, politische Debatten und vieles mehr. Und wir brauchen dringend einen besseren Schutz von religiösen Minderheiten durch eine Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Das betrifft Jüdinnen und Juden genauso wie Musliminnen und Muslime.